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Klinische Behandlungspfade in GKV-Routinedaten: (Monetäre) Bewertung von Fehlversorgung am Beispiel Darmkrebsfrüherkennung
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Published: | September 25, 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Seit 2002 gehört die Früherkennungskoloskopie mit ca. 20 Mio. Anspruchsberechtigten zum GKV-Leistungskatalog; dabei werden gutartige Vorstufen von Darmkrebs (Polyen) bei ca. 40% der Teil-nehmer gefunden. Bei auffälligen Befunden (in Abhängigkeit von Größe, Zahl und Histologie entfern-ter Polypen) variiert die Indikation zur Kontrollkoloskopie zwischen 3 und 5 Jahren. Ansonsten besteht erst nach 10 Jahren ein erneuter Anspruch auf eine (Kontroll-) Koloskopie.
Fragestellung und Zielsetzung: Es wurde untersucht, inwiefern Kontroll-Koloskopien zu früh (< 2 Jahre) nach dem Befund der Index-koloskopie erfolgen (Überversorgung) und inwiefern dies mit Mehrkosten verbunden ist.
Methode: Datenbasis sind GKV-Routinedaten von 2014 bis 2018 von 1,26 Mio. koloskopierten TK-Versicherten. Durch Heranziehen spezifischer Leistungen (EBM-GOP und ICD-Codes) wurde auf die Darmkrebs-früherkennung bei „Gesunden„ (2 Jahre vorher keine Koloskopie) fokussiert (n=71.070 Versicherte). Dieses Kollektiv wurde aufgeteilt in Versicherte mit leitlinienkonformer Durchführung einer Koloskopie (LL-Gruppe, n=67.780) und Versicherte mit Re-Koloskopie innerhalb von 6-24 Monaten (Re-Kolo-Gruppe, n=3.290) nach Indexkoloskopie.
Ergebnisse: In der Re-Kolo-Gruppe findet sich bei 83,5% der Versicherten bei der Re-Koloskopie (mind.) eine medizinische Indikation, v.a. Adenome/Polypen (42,7%) und Polypektomien (21,0%). Die anderen Indikationen verteilen sich auf unterschiedlich (kleinere) Krankheitsentitäten wie Gastroenteritiden (3,1%) und Reizdarmsyndrom (2,0%), wobei diese Indikationen nicht per se die Durchführung einer Koloskopie „rechtfertigen“. Bei 543 Versicherten lag keine erkennbare Koloskopie-Indikation vor, bei 94 Versicherten waren nicht abrechnungskonforme Leistungen der Darmkrebsfrüherkennung doku-mentiert.
In der LL-Gruppe betragen die gesamten Kosten pro Versichertem im 4-Jahrszeitraum 9.286,89€, in der Re-Kolo-Gruppe 19.040,97€. Während die Kosten vor Durchführung der Indexkoloskopie zwi-schen den beiden Gruppen ähnlich sind (LL Ø 2.007,15€, Re-Kolo Ø 2.421,21€), fallen nach dem Zeit-punkt der Erstkoloskopie in der Re-Kolo-Gruppe deutlich höhere Kosten an, was vor allem auf den stationären Bereich (+303,2%), das Krankengeld (+247,1%), ambulante OP-Kosten (+265,2%) und Arzneimittel (+199,5%) zurückzuführen ist.
Diskussion: Obwohl eine Karenzzeit von 6 Monaten nach Erstkoloskopie berücksichtigt wurde, existiert eine relevante Anzahl von Kontroll-Koloskopien, die nach Abgleich mit potentiellen Anwendungsindikationen über den medizinischen Bedarf hinauszugehen scheinen (Überversorgung). Dieser Effekt geht in den 24 Monate nach Indexkoloskopie mit deutlich höheren Kosten einher.
Praktische Implikationen: Die ab 2021 gesetzlich vorgeschriebene Einführung einer elektronischen Patientenakte sollte durch adäquate Erinnerungsinstrumente dahingehend ausgebaut werden, dass durch individuelle und risiko-adaptierte Feedback-Mechanismen eine leitlinienkonformere Durchführung von Kontroll-Koloskopien gewährleistet werden kann.