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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Die nachhaltige Versorgung von Diabetikern in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV): Fortsetzung einer retrospektiven Kohortenstudie

Meeting Abstract

  • Olga Sawicki - Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Angelina Müller - Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Anastasiya Glushan - Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Martin Beyer - Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Ferdinand M. Gerlach - Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland
  • Kateryna Karimova - Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf085

doi: 10.3205/20dkvf085, urn:nbn:de:0183-20dkvf0858

Published: September 25, 2020

© 2020 Sawicki et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Zunehmende Prävalenzen von Diabetikern bei steigender Lebenserwartung haben zu einer Häufung klinisch relevanter Komplikationen geführt. Seit 2004 wird in Deutschland flächendeckend die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) eingeführt, um die Primärversorgung zu stärken. Zu den wichtigsten Komponenten dieser Versorgung gehört der koordinierte Zugang zu Fachärzten mit dem Hausarzt als ersten Ansprechpartner, die Förderung der Teilnahme an Disease-Management-Programmen (DMP), regelmäßige Qualitätszirkel und eine pauschalierte Vergütung.

Fragestellung und Zielsetzung: Unser Ziel war es, die bereits 2011–14 untersuchten Effekte der HzV auf die Komplikationsentwicklung von eingeschriebenen gegenüber nicht-eingeschriebenen Diabetikern der AOK über die Jahre 2011–18 weiter zu beobachten.

Methode oder Hypothese: Basierend auf Routinedaten der AOK führten wir eine retrospektive Kohortenstudie in Baden-Württemberg fort. 217.964 Diabetiker wurden über insgesamt acht Jahre (2011–18) nachverfolgt. Endpunkte waren das Auftreten einer Erblindung, Amputation, Herzinfarkt, Schlaganfall, koronare Herzkrankheit, Dialysepflicht und Hypoglykämien. Die Analyse der Zeit bis zum Auftreten des jeweiligen Endpunktes erfolgte mittels Cox-Regressionsmodellen adjustiert nach soziodemographischen, praxis- sowie krankheitsspezifischen Einflussfaktoren.

Ergebnisse: Die Ergebnisse unserer Langzeitstudie zeigten, dass die HzV (n=119.355) gegenüber der Regelversorgung (n=98.609) weiterhin mit einer Verzögerung des Eintritts von diabetesbedingten Komplikationen assoziiert war: In der HzV-Gruppe war das relative Risiko, innerhalb des Beobachtungszeitraums eine Erblindung zu erleiden, um 20% signifikant vermindert (adjustierte Hazard Ratio 0,80; 95%-KI 0,75-0,85), das einer Amputation um 23% (adjustierte Hazard Ratio 0,77; 95%-KI 0,72-0,82). Signifikante Unterschiede mit Vorteilen für die HzV-Gruppe bestanden ebenfalls für die Komplikationen Herzinfarkt, Schlaganfall, koronare Herzkrankheit sowie Dialyse und nahmen im Laufe der Zeit zu. Das relative Risiko einer Hypoglykämie war in der HzV-Gruppe nach Adjustierung erhöht.

Diskussion: Unsere Analysen zeigten eine Verzögerung der Spätkomplikationen in der HzV gegenüber der Regelversorgung. Die Qualitätsunterschiede könnten durch die im Rahmen der HzV gestärkten Primärversorgung erklärt werden. Ein zusätzlicher nicht weniger starker Effekt liegt bei der DMP-Teilnahme als untrennbare Komponente der HzV.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse sprechen für eine nachhaltige Versorgung von Diabetikern innerhalb dieses strukturierten hausarztzentrierten Versorgungsmodells.