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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Neue Perspektiven auf alte Daten – Chancen und Grenzen einer Sekundäranalyse von Fokusgruppendiskussionen

Meeting Abstract

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  • Natalia Radinova - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Monika A. Rieger - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Christine Preiser - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf060

doi: 10.3205/20dkvf060, urn:nbn:de:0183-20dkvf0603

Published: September 25, 2020

© 2020 Radinova et al.
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Teilnahme an Forschungsprojekten ist für die Forschungsteilnehmer:innen im Mindesten mit Zeitaufwand, oftmals aber auch mit der Auseinandersetzung und Preisgabe persönlicher, intimer oder gar bedrückender Details verbunden. Forschungsdaten möglichst voll auszuschöpfen ist daher forschungsethisch geboten. Sekundäranalysen können dies ermöglichen. Dabei werden bereits erhobene Daten unter anderen Methoden und/oder Fragestellungen erneut ausgewertet. Auch können Daten mehrerer Projekte zusammengeführt werden.

Unser Forschungsinteresse galt ärztlichen Professionsverständnissen. In drei früheren Versorgungsforschungsprojekten wurden Fokusgruppendiskussionen (FG) mit Betriebsärzt:innen (BÄ) geführt, in denen an vielen Stellen berufliches Selbstverständnis thematisiert wurde. Dies wurde jedoch wegen anderer Projektziele nicht vertieft. Entsprechend führten wir in einem Eigenforschungsprojekt Sekundäranalysen durch, um aus alten Daten neue Erkenntnisse zum betriebsärztlichen Professionsverständnis zu gewinnen, statt neue Daten zu erheben.

Fragestellung und Zielsetzung: Welche Chancen und Herausforderungen bot die Sekundäranalyse der FG?

Methode oder Hypothese: Die Datenerhebungen in den drei Projekten fanden 2009-2012 statt. Aus den Datensätzen lagen Transkripte von insgesamt fünf FG und ein Einzelinterview mit BÄ vor. Diese wurden 2019 genutzt, um das Professionsverständnis von BÄ zu rekonstruieren.

Die Daten waren vormals inhaltsanalytisch ausgewertet worden und enthielten die Kategorien „Selbstbild BÄ“, die aber in den ursprünglichen Projekten nicht ausgewertet wurden. Die Textstellen der jeweiligen Kategorien waren Ausgangspunkt für Sekundäranalysen mit dem Integrativen Basisverfahren.

Ergebnisse: Für den Zugang zu den Rohdaten mussten Regelungen gefunden werden, die mit den Einverständniserklärungen aus den jeweiligen Studien konform waren. Auch wäre eine Auswertung ohne bestehendes Hintergrundwissen zu den Kontexten der Studien deutlich aufwändiger gewesen.

Durch die Zusammenführung von Daten aus drei Projekten entstand ein neuer, größerer Datensatz, sodass abgewogen werden konnte, welche Aussagen themenspezifisch und welche -übergreifend sind. In der Analyse galt es, abzuwägen, wo Wandel im Berufsfeld stattgefunden hat (Bsp. psychische Gesundheit) und was weiterhin aktuell ist (Bsp. Spannungsfeld BÄ als vom Arbeitgeber bezahlte Ärzt:innen).

Diskussion: Obwohl die Daten bereits vorliegen, eignen sich Sekundäranalysen nicht per se, um schnell Ergebnisse zu generieren. Vielmehr bedürfen sie fundierter Kontextkenntnisse und sorgfältigen Abwägens hinsichtlich Fragestellung, möglicher Methodik und Limitationen.

Praktische Implikationen: In jedem Forschungsprojekt entsteht ein Überschuss an Daten, die im weiteren Verlauf nicht berücksichtigt werden können. Sekundäranalysen bieten die Möglichkeit, vorhandene Datensätze besser auszuschöpfen, statt neue Belastungen für Forschungsteilnehmer:innen zu erzeugen. Die bereits begonnene Diskussion zu u.a. methodischen Aspekten sollte fortgeführt und entsprechende Projekte finanziell gefördert werden.