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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Covid-19 Risikofaktoren: Statistisches Lernen aus Routinedaten der AOK Bayern

Meeting Abstract

  • Roland Jucknewitz - AOK Bayern – Die Gesundheitskasse, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg, Deutschland
  • Anja Schramm - AOK Bayern – Die Gesundheitskasse, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg, Deutschland
  • Oliver Weidinger - AOK Bayern – Die Gesundheitskasse, DLZ Versorgungsmanagement, Regensburg, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf046

doi: 10.3205/20dkvf046, urn:nbn:de:0183-20dkvf0468

Published: September 25, 2020

© 2020 Jucknewitz et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Covid-19 Pandemie stellt weltweit eine besondere Herausforderung für die Gesundheitssysteme dar. In der Anfangsphase der Pandemie zeigten sich schwere Krankheitsverläufe insbesondere bei Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. Aus Routinedaten verschiedener Länder ermittelten u.a. [1], [2] und [3] das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe, indem sie diese grob eingeteilten Gruppen a priori aufgriffen.

Fragestellung und Zielsetzung: Mit nun weitverbreiteten Methoden des statistischen Lernens ist es möglich, detailliertere Einflussfaktoren für schwerwiegende Covid-19 Verläufe aus tausenden möglichen Einflussfaktoren datenbasiert zu selektieren und zu quantifizieren. Dadurch soll ein besseres Verständnis der tatsächlich relevanten Risikofaktoren erreicht werden.

Methode oder Hypothese: Mit Routinedaten der AOK Bayern führen wir eine logistische Lasso-Regression des Outcomes „Covid-19 Erkrankung mit schwerwiegendem stationärem Verlauf“ auf eine große Menge möglicher Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, ambulanter oder stationärer Diagnosecodes (ICD), Arzneimittelwirkstoffe (ATC) und Prozeduren (OPS) durch. Neben Aggregaten dieser Codes werden auch endstellige Einzelcodes aufgenommen, um die Gruppen feiner zu differenzieren. So wird ein Risikoindex erstellt, den wir bei tiefergehenden Analysen als Regressor verwenden. Nach Veröffentlichung ist der Index darüber hinaus auch für weitere Populationen anwendbar, etwa in epidemiologischen Studien mit kleineren Fallzahlen.

Ergebnisse: Mit der feingliedrigen Spezifikation der Risikofaktoren wird eine gute Prognosegüte schwerer Covid-19-Verläufe erzielt (AUC=0,883). Als populationsbezogen bedeutendste Risikofaktoren unter den Begleiterkrankungen werden essentielle Hypertonie (I10.-), Diabetes Mellitus Typ 2 (ICD E11.-) und Herzinsuffizienz (I50.-) identifiziert; unter den Arzneimitteln insbesondere solche für das kardiovaskuläre System (ATC C-). Dabei bestehen auch innerhalb der Gruppen signifikante Unterschiede. Der Risikoanstieg im Alter sowie der Geschlechterunterschied stellt sich sehr viel moderater dar als bisher angenommen, wenn derart granular für weitere Risikofaktoren kontrolliert wird. Detailliertere Ergebnisse zu weiteren Einflussfaktoren werden noch ermittelt.

Diskussion: Die vorliegende Arbeit bietet aufgrund ihrer Methodik und dem Detailgrad einen signifikanten Mehrwert im Vergleich zu bisherigen Ansätzen. Außerdem ergänzt die Analyse von rund 4,3 Millionen Versicherten der AOK Bayern die internationale Forschung um weitere Evidenz aus Deutschland. Im Gegensatz zu [4] ist unsere Datenbasis nicht auf stationäre Falldaten beschränkt.

Praktische Implikationen: Die identifizierten Risikomerkmale können für zielgruppenspezifischere Empfehlungen und Maßnahmen verwendet werden. Der von uns entwickelte Index könnte für die weiterführende Covid-19-Forschung von Interesse sein, um für relevante Komorbidität zu kontrollieren.


Literatur

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Karagiannidis C, Mostert C, Hentschker C, Voshaar T, Malzahn J, Schillinger G, Klauber J, Janssens U, Marx G, Weber-Carstens S, Kluge S, Pfeifer M, Grabenhenrich L, Welte T, Busse R. Case characteristics, resource use, and outcomes of 10?021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an observational study. Lancet Respir Med. 2020 Jul;8(9):853-62. DOI: 10.1016/S2213-2600(20)30316-7 External link