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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme (time-restricted feeding, TRF) als Lebensstilintervention zur Prävention und Therapie lebensstilabhängiger Erkrankungen: Eine Pilotstudie

Meeting Abstract

  • Dorothea Kesztyüs - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Germany
  • Dorothée Schönsteiner - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Germany
  • Eva Vorwieger - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Germany
  • Markus Gulich - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm, Germany
  • Tibor Kesztyüs - Technische Hochschule Ulm, Fakultät Informatik, Ulm, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf487

doi: 10.3205/19dkvf487, urn:nbn:de:0183-19dkvf4877

Published: October 2, 2019

© 2019 Kesztyüs et al.
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Text

Hintergrund: TRF wurde im Tierversuch schon ausführlich erforscht. Beim Menschen muss nun untersucht werden, ob diese spezielle Ernährungsform praktikabel ist und zu ähnlich positiven metabolischen Änderungen führt. Erste Untersuchungen wurden dazu bereits in den USA durchgeführt, mit positiven Ergebnissen und ohne das Auftreten von – zumindest kurzfristig feststellbaren – unerwünschten Nebeneffekten. TRF hat das Potenzial, als einfach durchzuführende und leicht verständliche Lebensstiländerung, der epidemischen Ausbreitung von nicht-übertragbaren Krankheiten auf dem Boden lebensstilinduzierter metabolischer Störungen entgegenzuwirken.

Fragestellung: Die vorliegende explorative Pilotstudie im Pre-Post Design soll die Durchführbarkeit, Adhärenz der Probanden und weitere methodisch relevante Fragen von TRF testen. Außerdem soll untersucht werden, ob sich Interventionseffekte in Form von Pre-Post Differenzen in den metabolischen Parametern feststellen lassen, diese Daten werden für Fallzahlberechnungen weiterführender Studien benötigt.

Methode: Mit Hilfe des betrieblichen Gesundheitsmanagements der Universität Ulm wurden 63 Mitarbeiter der Universität und des Klinikums rekrutiert. Diese führten nach einer kurzen Einweisung das TRF durch, d.h. sie begrenzten ihre Nahrungsaufnahme über einen Zeitraum von drei Monaten auf 8-9 Stunden täglich. TRF erlaubt eine ad libitum Nahrungsaufnahme innerhalb der festgelegten Zeit.

Zwei Teilnehmer brachen die Studie wegen Krankheit ab, zwei Teilnehmer beendeten während der Laufzeit das TRF, führten aber die Tagebücher weiter und nahmen an der Abschlussuntersuchung teil.

Vor Beginn des TRF wurden anthropometrische Maße und per Fragebogen Daten des individuellen Lebensstils erfasst, sowie eine Blutuntersuchung durchgeführt. Während der Intervention protokollierten die Probanden in einem Tagebuch den Zeitraum der Nahrungsaufnahme und die Schlafqualität. Am Ende der Intervention wurde eine Abschlussuntersuchung durchgeführt, bei der noch einmal dieselben Parameter wie zu Beginn erhoben wurden.

Pre-Post Differenzen wurden mit dem Wilcoxon-Rangsummentest für verbundene Stichproben untersucht.

Ergebnisse: Die Teilnehmer waren 47,8±10,5 Jahre alt. Der Anteil der Frauen war signifikant höher, als der der Männer (54 vs. 9). Der durchschnittliche Zeitraum der Nahrungsaufnahme vor Beginn der Intervention lag bei 12,4±1,9 Stunden pro Tag. Übergewichtig waren 32%, adipös 18% und abdominal adipös 57% der Teilnehmer. Erhöhte Gesamtcholesterinwerte lagen bei 67% der Teilnehmer vor, der LDL/HDL Quotient lag bei 14% der Teilnehmer über dem Grenzwert. Nach drei Monaten TRF hatten die Teilnehmer im Durchschnitt 1,3±2,3 kg Gewicht und 1,7±3,2 cm Bauchumfang verloren (p < 0,001). Der Gesamtcholesterinwert stieg im Mittel um 0,34±0,51 mmol/l an (p < 0,001) an. Für HDL, LDL, Triglyceride sowie den Quotienten aus LDL/HDL ergaben sich keine signifikanten Veränderungen.

Diskussion: Aus medizinischer Sicht sind die statistisch signifikanten Veränderungen der Anthropometrie sowie des Gesamtcholesterins nur marginal. Der leichte Anstieg des Gesamtcholesterins widerspricht den Untersuchungen an Tieren und den wenigen bisher durchgeführten Untersuchungen an Menschen. Ein Grund dafür könnte sein, dass keinerlei Vorgaben bezüglich der Ernährungsweise gemacht wurden. Bei der Abschlussuntersuchung gaben viele Probanden an, während der Essensphase mehr als üblich gegessen zu haben, aus Angst vor Hunger in der Fastenphase. Diese Überkompensation könnte zu den Ergebnissen beigetragen haben.

Der sehr kurze Zeitraum der Rekrutierung lässt sich auf das große Interesse der Bevölkerung an Intervallfasten zurückführen, das sich auch in den Medien zeigt. Allerdings scheint die Einschränkung des Zeitraums der Nahrungsaufnahme mit einer ad libitum Nahrungszufuhr nicht zielführend zu sein. Für eine weiterführende Studie in der Hausarztpraxis werden daher genauere Vorgaben hinsichtlich der Ernährung geplant.

Aus chronobiologischer Sicht ist eine Einschränkung des Zeitraums der Nahrungsaufnahme sehr sinnvoll, da sie dem Körper mehr Zeit für Regeneration und Reparatur bietet. Auch die circadiane Rhythmik des Metabolismus ist auf einen besser angepassten Zeitraum der Nahrungsaufnahme angewiesen, um metabolische Störungen zu verhindern. Forschungen an Schichtarbeitern bestätigen diese Annahmen.

Intervallfasten, besonders der verlängerte Zeitraum der nächtlichen Fastenphase, hat aufgrund der einfachen Durchführbarkeit großes Potenzial als Lebensstiländerung vielen nicht-übertragbaren Krankheiten präventiv entgegenzuwirken oder bereits bestehende metabolische Störungen zu bessern. Daher ist eine intensive Erforschung unbedingt nötig.

Praktische Implikationen: Aufgrund des großen medialen Interesses an Intervallfasten und speziell an TRF soll untersucht werden, wie die Durchführbarkeit am besten gewährleistet werden kann und welche Effekte zu erwarten sind. Eine wissenschaftliche Basis für weiterführende Studien wird bereitet.