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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Wie beurteilen Menschen mit Demenz eine zukünftige Übertragung ärztlicher Aufgaben auf Pflegefachpersonal in ihrer ambulanten Versorgung? Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens

Meeting Abstract

  • Bianca Biedenweg - Institut für Community Medicine, Methoden, Greifswald, Germany
  • Maresa Buchholz - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Methoden der Community Medicine, Greifswald, Germany
  • Terese Dehl - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Bernhard Michalowsky - Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., DZNE, Greifswald, Germany
  • Attila Altiner - Institut für Allgemeinmedizin Rostock, Allgemeinmedizin, Rostock, Germany
  • Roman F. Oppermann - Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences, Fachbereich Gesundheit, Pflege, Management, Neubrandenburg, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Thomas Kohlmann - Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald, Methoden der Community Medicine, Greifswald, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf465

doi: 10.3205/19dkvf465, urn:nbn:de:0183-19dkvf4652

Published: October 2, 2019

© 2019 Biedenweg et al.
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Text

Hintergrund: Im Rahmen einer vom Innovationsfond geförderten Studie wurden die Einstellungen von Hausärzten (HÄ) und Pflegefachpersonen (PFP) zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachpersonal in der ambulanten Demenzversorgung mit einem neu entwickelten standardisierten schriftlichen Fragebogen erfasst. In diesem Rahmen sollten auch Menschen mit Demenz (MmD) zum Thema befragt werden. Auf Grund kognitiver Einschränkungen durch das Krankheitsbild Demenz wurden besonders hohe Anforderungen an den zu entwickelnden Patientenfragebogen gestellt.

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, einen Fragebogen zu entwickeln, der in Struktur und Umfang so aufgebaut ist, dass es speziell MmD möglich ist, die Fragen und Antwortoptionen zu verstehen und diesen in einem angemessenem Zeitrahmen auszufüllen.

Methode: Grundlage für die Fragebogenentwicklung bildete der für HÄ und PFP erstellte Fragebogen zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf nicht-ärztliches Personal. Die Modifizierung des Fragebogens für MmD basierte dabei auf Expertengesprächen mit speziell ausgebildeten Dementia Care Managern (DCM). Zur Überprüfung der modifizierten Fragebogenversion auf Verständlichkeit und Praktikabilität erfolgten qualitative Einzelinterviews mit MmD (N=10) aus Pflegeeinrichtungen und privaten Haushalten. Zudem wurde die Ausfülldauer gemessen.

Ergebnisse: Aus den Expertengesprächen mit den DCMs geht hervor, dass im Besonderen darauf geachtet werden muss, dass der Fragebogen kurze prägnante Sätze enthält, Satzverbindungen mit „oder“ vermieden werden, die Antwortkategorien einfach (Ja/Nein) gestaltet werden, der Umfang so gering wie möglich gehalten wird sowie die Schriftgröße altersentsprechend angepasst werden muss. Die qualitativen Einzelinterviews mit MmD ergaben, dass bereits eine leichte Demenz ein Ausfüllen des Fragebogens erschwert, da z.B. Fragen nicht verstanden werden. Aufgrund dessen wurde neben einer Selbstausfüllerversion eine zusätzliche Proxyversion (Fremdausfüller) entwickelt. Darüber hinaus wurde der Umfang der finalen Fragebogenversion deutlich reduziert sowie strukturelle Anpassungen (z.B. Änderung der Antwortformate) vorgenommen. Die durchschnittliche Ausfüllzeit des Fragebogens lag bei 17 Minuten. Der finale Fragebogen für MmD besteht aus 37 Items. Die Items verteilen sich dabei wie folgt: Akzeptanz gegenüber einer Aufgabenneuverteilung ärztlicher Aufgaben an Pflegefachpersonen: 34 Items, Qualifikationsbedarf einer Pflegefachperson: 1 Item und Arzt-Patienten-Beziehung: 2 Items sowie Fragen zum Geschlecht und Geburtsjahr. Im Rahmen der Hauptstudie wurde der Fragebogen bei N=211 Menschen mit Demenz (51,4% männlich, Ø 81,5Jahre alt) eingesetzt. Es zeigte sich, dass der Fragebogen von einer Großzahl der Probanden durchgängig und konsistent ausgefüllt (Missing Values < 6%) wurde. Dies deutet auf eine hohe Praktikabilität und Akzeptanz des Instruments durch die Probanden hin. Lediglich ein Item, welches Bezug auf die Fahrtauglichkeit der MmD nahm, wurde von > 6% der Befragten nicht beantwortet.

Diskussion: Die Fragebogenerstellung für MmD wurde durch das hohe Alter der Probanden ( > 65 Jahre) sowie deren kognitive Einschränkungen erschwert. Dennoch ist es gelungen, einen Fragebogen zu entwickeln, der die subjektiven Einstellungen von MmD im Hinblick auf eine künftige Aufgabenübertragung von ärztlichen Aufgaben auf nicht-ärztliches Personal in der ambulanten Demenzversorgung erfasst. Da inhaltsähnliche Fragebogenergebnisse für die an der Versorgung von MmD beteiligten Professionen und Akteure vorliegen, ist es möglich, die Einstellung aller an der Versorgung von MmD beteiligten Personen und der Patienten selbst zu erfassen. Somit kann ein umfassender Überblick über ärztliche Tätigkeiten gegeben werden, die künftig an Pflegefachpersonen übertragen werden könnten, um die Versorgung von MmD weiter zu verbessern.

Praktische Implikation: Der Fragebogen wurde im Besonderen an die Situation älterer Menschen (>65 Jahre) mit altersbedingten neurologischen Erkrankungen angepasst. Mit geringer Modifikation kann der Fragebogen an weitere Krankheitsbilder der ambulanten Versorgung von Menschen mit höherem Alter adaptiert werden. Dies kann genutzt werden, um Vergleiche über unterschiedliche Versorgungsbereiche hinweg herzustellen.