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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Die Theorie der Stabilität häuslicher Versorgungsarrangements für Menschen mit Demenz im Spiegel von Typen versorgender Angehöriger

Meeting Abstract

  • Jan Dreyer - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Arbeitsgruppe Implementierungs- und Disseminationsforschung, Witten, Germany
  • Kerstin Köhler - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Arbeitsgruppe Versorgungsstrukturen, Witten, Germany
  • Iris Hochgraeber - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Arbeitsgruppe Versorgungsstrukturen, Witten, Germany
  • Bernhard Holle - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V., Standort Witten, Arbeitsgruppe Versorgungsstrukturen, Witten, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf464

doi: 10.3205/19dkvf464, urn:nbn:de:0183-19dkvf4642

Published: October 2, 2019

© 2019 Dreyer et al.
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Text

Hintergrund: Die meisten Menschen mit Demenz leben in der eigenen Häuslichkeit und werden dort maßgeblich von Angehörigen versorgt. Im Verlauf der Demenz ist das Herstellen und Aufrechterhalten einer stabilen häuslichen Versorgungssituation ein handlungsleitendes Motiv versorgender Angehöriger und auch ein Ziel staatlicher Sozial- und Gesundheitspolitik. Während es einigen Angehörigen gelingt, die Versorgung für sich und den Menschen mit Demenz über einen langen Zeitraum gut zuhause zu gestalten, schaffen es andere Angehörige nicht das Versorgungsarrangements zu stabilisieren, was häufig mit einem Umzug des Menschen mit Demenz in ein anderes Versorgungssetting verbunden ist. Ziel der vorgestellten Studie ist es den Prozess der Herstellung der Stabilität häuslicher Versorgung zu konzeptualisieren. Im Rahmen dieses Beitrags wird darüber hinaus die Typenbildung versorgender Angehöriger als eine Möglichkeit der Unterscheidung stabiler und instabiler Versorgungsarrangements diskutiert.

Fragestellung: Was konstituiert die Stabilität häuslicher Versorgungsarrangements für Menschen mit Demenz? Wie werden Typen versorgender Angehöriger methodisch gebildet? Welchen Beitrag kann die Typenbildung zu einem besseren Verständnis von Stabilität häuslicher Versorgungsarrangements leisten?

Methode: Bestehende Evidenz zum Phänomen Stabilität häuslicher Versorgungsarrangements wurde im Rahmen einer Meta-Studie synthetisiert. Durch eine systematische Datenbankrecherche (Medline, CINAHL, PsycINFO), die mit einem theoretisches Sampling und Forward-/Backward-Citation-Tracking kombiniert wurde, wurden relevante Studien identifiziert und anhand vordefinierter Kriterien ausgewählt. Sowohl quantitative und qualitative Studien als auch mixed-methods Studien und Reviews wurde in die Meta-Studie eingeschlossen. In einem analytischen Dreischritt wurden sowohl Forschungsergebnisse (Meta-Data) als auch Theorien (Meta-Theory) und Methoden (Meta-Method) der eingeschlossenen Studien analysiert und schließlich einer gemeinsamen Synthese (Meta-Synthesis) zugeführt. Zentrale Auswertungsmethode war die thematische Synthese.

Ergebnisse: Das Ergebnis der Meta-Studie ist eine Theorie mittlerer Reichweite, die Stabilität häuslicher Versorgungsarrangements als die Folge des Handelns versorgender Angehöriger konzeptualisiert. Zentrale Konzepte der Theorie sind der Versorgungsverlauf und die mit ihm verbundenen Veränderungen, die Bedürfnisse des Menschen mit Demenz und des Angehörigen, die Beziehung zwischen Menschen mit Demenz und Angehörigen, ihre Ressourcen, das Rollenverständnis des Angehörigen sowie das Gesundheitssystem und die Gesellschaft. In vier in der Meta-Studie eingeschlossenen Studien werden Typen von versorgenden Angehörigen gebildet. In zwei Studien werden quantitative Verfahren und in zwei Studien qualitative Verfahren für die Typenbildung genutzt. In den quantitativen Studien werden Typen aufgrund statistischer Ähnlichkeit von Merkmalen wie beispielsweise Alter, Verwandtschaftsgrad oder subjektiver Belastung gebildet. In den qualitativen Studien werden Typen aufgrund von ähnlichen Handlungsstrategien (z. B. passiv-reagierende und aktiv-antizipierende Typen) der Angehörigen konstruiert. Trotz unterschiedlicher methodischer Vorgehensweise werden in qualitativen und quantitativen Studien Typen unterschieden, die als stabil oder wenig stabil bezeichnet werden können.

Diskussion: Die Stabilität häuslicher Versorgung von Menschen mit Demenz ist durch eine Vielzahl von Faktoren abhängig und erklärbar. Darüber hinaus weist die in der Meta-Studie entwickelt Theorie auf die Dynamik und Komplexität der Herstellung von Stabilität hin. Eine Typenbildung könnte ein geeignetes methodisches Vorgehen zu sein, um diese Komplexität zu reduzieren und typische Versorgungssituationen in Hinblick auf ihre Stabilität zu identifizieren. Inwiefern quantitativ gebildete Typen mit qualitativ gebildeten Typen in einem Zusammenhang stehen, ob mit spezifischen sozialstrukturellen und psychosozialen Merkmalen also spezifische Handlungsmuster korrespondieren, wird Gegenstand weiterer empirischer Forschung sein.

Praktische Implikationen: Die entwickelte Theorie zur Stabilität häuslicher Versorgungsarrangements von Menschen mit Demenz kann als Framework für weitergehende empirische Forschung genutzt werden. Außerdem bietet sie durch das Nennen zentraler Einflussfaktoren auf das Herstellen von Stabilität Ansatzpunkte für die Entwicklung von Versorgungsstrukturen und -interventionen, die auf eine Stabilisierung häuslicher Versorgungsarrangements abzielen. Bei deren Entwicklung könnte darüber hinaus die Typenbildung ein geeignetes Mittel sein, um zielgruppenspezifische Angebote zu entwickeln.