gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Einsatz der Thrombektomie bei akutem ischämischem Schlaganfall – deutschlandweite Sekundärdatenanalyse auf Basis der gesetzlichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Laura Mause - Universität zu Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Köln, Germany
  • Nadine Scholten - Universität zu Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf457

doi: 10.3205/19dkvf457, urn:nbn:de:0183-19dkvf4572

Published: October 2, 2019

© 2019 Mause et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Aufgrund der hohen Inzidenz und den häufig daraus resultierenden Beeinträchtigungen zählt der Schlaganfall zu den für die Gesellschaft und Medizin relevantesten Erkrankungen. Eine bereits etablierte Therapiemöglichkeit liegt in der systemischen Thrombolyse, die jedoch nicht bei allen PatientInnen indiziert ist. Ein neueres Alternativverfahren zur Behandlung des ischämischen Schlaganfalls ist die mechanische Thrombektomie. Diese gehört seit der Veröffentlichung mehrerer richtungsweisender Studienergebnisse und ihrer Aufnahme in die Leitlinien im Jahr 2015 zum Goldstandard in der Akutbehandlung des ischämischen Schlaganfalls.

Fragestellung: Ziel der Arbeit war es, die aktuelle Versorgungssituation bezüglich der mechanischen Thrombektomie zu analysieren und zu untersuchen, welche strukturellen, krankenhausseitigen Faktoren einen Einfluss auf ihre Implementation ausüben.

Methode: Datengrundlage bildeten die gesetzlichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser der Jahre 2014 bis 2016. Im Rahmen der Sekundärdatenanalyse wurden der Anteil der Krankenhäuser mit Einsatz der mechanischen Thrombektomie herausgearbeitet sowie Fallzahlen und Thrombektomieraten berechnet. Anhand eines linearen Regressionsmodells wurden strukturelle Krankenhauseigenschaften (Stroke Unit, Trägerschaft, Lehrstatus, Bettenanzahl in Kategorien und Thrombolyserate) hinsichtlich ihres potentiellen Einflusses auf die Höhe der Thrombektomierate untersucht. Zwei logistische Regressionsmodelle analysierten die Einflüsse dieser Eigenschaften auf die frühzeitige sowie auf die trotz Leitlinienempfehlung nicht erfolgte Implementation der mechanischen Thrombektomie.

Ergebnisse: Im Jahr 2016 beteiligten sich 1.284 Krankenhäuser an der Akutversorgung von Patienten mit ischämischem Schlaganfall. Bundesweit wurden 10.577 mechanische Thrombektomien der intrakraniellen Gefäße in 217 Krankenhäusern dokumentiert. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass in 83 % (n=1.067) dieser Krankenhäuser trotz Akutbehandlung des Schlaganfalls keine mechanischen Thrombektomien durchgeführt wurden. Die durchschnittliche Thrombektomierate aller Schlaganfall behandelnden Krankenhäuser lag bei 1,7 % (SD=7,4). Im Mittel wurden in den Krankenhäusern mit Thrombektomieeinsatz 49 (SD=62,3; max=386) mechanische Thrombektomien dokumentiert. Deskriptiv betrachtet sind Krankenhäuser mit Stroke Units, Universitätskliniken, Krankenhäuser mit Anwendung der Thrombolyse und große Krankenhäuser mit über 1.000 Betten zu einem vergleichsweise hohen Anteil in die Thrombektomieversorgung eingebunden und weisen deutlich höhere Thrombektomieraten auf. In Bezug auf die Höhe der Thrombektomierate wurde ein signifikanter, positiver Einfluss der höchsten Bettenkategorie (über 1.000 Betten) herausgestellt. Für die frühzeitige Implementation der mechanischen Thrombektomie wurden die Existenz einer Stroke Unit und die Bettenkategorie mit über 1.000 Betten als signifikante, positive Einflussfaktoren ermittelt. Dieselben Faktoren wurden für die trotz Leitlinienempfehlung nicht erfolgte Implementation herausgestellt – allerdings mit signifikant negativem Einfluss.

Diskussion: Die mechanische Thrombektomie ist bereits in vielen Krankenhäusern Bestandteil der Versorgung des akuten ischämischen Schlaganfalls. Ihr Implementationsgrad ist allerdings nicht zu vergleichen mit dem der etablierteren systemischen Thrombolyse. Die Ergebnisse der vorliegenden Sekundärdatenanalyse zeigen Raum für einen Ausbau der Anwendung auf. Strukturelle, krankenhausseitige Faktoren besitzen einen bedeutsamen Einfluss auf die Implementation der mechanischen Thrombektomie. Aufgrund der Komplexität des Implementierungsprozesses und des Thrombektomieverfahrens an sich sind jedoch über die strukturelle Ebene hinausgehende Einflussfaktoren anzunehmen, deren Herausstellung zusätzliche Forschungsbemühungen erfordert.

Praktische Implikationen: Die vielversprechenden Studienergebnisse zur Wirksamkeit der mechanischen Thrombektomie bei ischämischem Schlaganfall verdeutlichen das Potential dieses Behandlungsverfahrens. Um die Verfügbarkeit der mechanischen Thrombektomie gewährleisten zu können, ist eine verstärkte Implementierung notwendig. Hierzu bietet sich nach den bisherigen empirischen Erkenntnissen v. a. die Ansprache besonders großer Krankenhäuser mit Stroke Unit an, die als Vorbilder für kleinere Häuser agieren und die Implementation so weiter vorantreiben können. Im Zuge der Förderung gilt es jedoch einen Kompromiss zu finden zwischen einer regional flächendeckenden Verfügbarkeit der mechanischen Thrombektomie und der Bildung von überregionalen, spezialisierten Zentren zu Gunsten einer höheren Behandlungsqualität.