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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Kompensation von Leistungen zwischen Hausärzten und Kinder- und Jugendmedizinern – eine Analyse auf der Basis von Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)

Meeting Abstract

  • Fabian Kleinke - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Anne Nowack - Universitätsmedizin Greifswald, Unternehmensbereich Kaufmännischer Vorstand, Greifswald, Germany
  • Angelika Beyer - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany
  • Neeltje van den Berg - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf448

doi: 10.3205/19dkvf448, urn:nbn:de:0183-19dkvf4486

Published: October 2, 2019

© 2019 Kleinke et al.
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Text

Hintergrund: Trotz steigender Arztzahlen in allen 23 Gruppen der Bedarfsplanung (07–17 insgesamt +15,2%), stagniert die Kapazität der vertragsärztlichen Versorgung in den letzten zehn Jahren weitgehend. Gründe hierfür sind z.B. die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie eine rückläufige Bereitschaft zur Niederlassung.

Es besteht ein Ungleichgewicht in der räumlichen Verteilung von vertragsärztlichen Kapazitäten. Während Ballungsgebiete häufig von Überversorgung geprägt sind, fehlen vor allem in ländlichen Regionen Haus- und Kinderärzte.

Eine Befragung von Eltern in Mecklenburg-Vorpommern hat gezeigt, dass Kinder, die weniger als 20 Km entfernt zur nächsten Kinderarztpraxis wohnen, häufiger einen Arzt aufsuchen als Kinder in versorgungsferneren Regionen (> 20 Km). Darüber hinaus gaben 51% der befragten Eltern aus versorgungsferneren Regionen an, mit ihren Kindern in der Regel zu einem Hausarzt zu gehen. In versorgungsnahen Regionen gaben dies 13% der Eltern an (p < 0.001). Im Vergleich dazu gaben 87% der Eltern aus versorgungsnahen Regionen an, im Allgemeinen einem Kinder- und Jugendmediziner aufzusuchen. Dieser Anteil lag bei Eltern in versorgungsfernen Regionen bei 51% (p < 0.001). Zur Sicherstellung der pädiatrischen Versorgung werden innovative und ressourcenschonende Konzepte.

Fragestellung: Können Haus- und Kinderärzte sich in der ambulanten Versorgung gegenseitig kompensieren und in welchem Umfang? Bestehen Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen?

Methoden: Grundlage der Analyse war die Bedarfsplanungs-Richtlinie aus dem Jahr 2016 des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) aus dem Jahr 2015, 4. Quartal. Ausgewertet wurden Abrechnungsdaten (Gebührenordnungspositionen – GOPs) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Hausärzte und Kinder- und Jugendmediziner aus dem Jahr 2015. Anhand des EBM wurden zunächst mögliche Überlappungen von Leistungen zwischen den Arztgruppen ermittelt. Auf Grundlage der Abrechnungsdaten gehen grundsätzliche Kompensationsmöglichkeiten hervor.

Eine Leistung wurde definiert als eine abgerechnete GOP. Die Abrechnungsdaten beziehen sich auf die Hauptbetriebsstätte der niedergelassenen Ärzte.

Ergebnisse: Die Auswertung des EBM zeigt, dass eine Reihe von Möglichkeiten zur Kompensation von Leistungen in den arztgruppenübergreifenden allgemeinen GOPs zwischen Haus- und Kinderärzten besteht. z.B. können für den EBM-Abschnitt 1.7.1 (Früherkennung von Krankheiten bei Kindern) 16 GOPs von beiden Arztgruppen erbracht und abgerechnet werden. Die Analyse der Abrechnungsdaten zeigt, dass zwischen ländlichen und urbanen Regionen wesentliche Unterschiede in den Abrechnungsspektren der Leistungserbringer bestehen. Bundesweit wurden von Hausärzten 6,6% der Leistungen aus dem Bereich „Früherkennung von Krankheiten bei Kindern“ abgerechnet. In ruralen Regionen betrug der Anteil 23%, in urbanen Regionen waren es 3,6%.

Ein ähnliches Bild zeigt sich für den EBM-Bereich „Physikalisch-therapeutische GOP“, der ebenfalls sowohl von Haus- als auch von Kinderärzten abgerechnet werden darf. Hausärzte erbringen mit 92% in ländlichen Regionen mehr Leistungen aus diesem Bereich als in urbanen Regionen (85%). Bei den Kinderärzten ist der Anteil der abgerechneten Leistungen aus dem entsprechenden EBM-Abschnitt in urbanen Regionen (11%) dagegen höher als auf dem Land (4%).

Diskussion: Der EBM erlaubt insbesondere im Bereich der arztgruppenübergreifenden allgemeinen GOPs die Abrechnung von Leistungen sowohl durch Haus- als auch Kinderärzte. Anhand der Abrechnungsdaten zeigt sich, dass Hausärzte in ländlichen Regionen mehr Leistungen aus den entsprechenden Abschnitten abrechnen als in urbanen Regionen. Demnach übernehmen Hausärzte bereits einen relevanten Teil der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in ländlichen Regionen.

Praktische Implikationen: Vor dem Hintergrund einer drohenden Unterversorgung in ruralen Regionen bieten Kompensation aber auch Kooperation zwischen Haus- und Kinderärzten eine vielversprechende Option, die Sicherstellung der pädiatrischen Versorgung zu unterstützen.