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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Zur Funktionsfähigkeit am Arbeitsplatz und dem Zusammenhang mit Depressionen sowie Selbstwirksamkeitserwartung bei Erwerbstätigen

Meeting Abstract

  • Martina Michaelis - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Stephanie Burgess - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Monika A. Rieger - Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Diego Montano - Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Eva Rothermund - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany; Leadership Personality Center Ulm (LPCU), Universität Ulm, Ulm, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf383

doi: 10.3205/19dkvf383, urn:nbn:de:0183-19dkvf3833

Published: October 2, 2019

© 2019 Michaelis et al.
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Text

Hintergrund: Die Gesundheit und der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Erwerbstätigen werden immer bedeutsamer. Nicht nur Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Einzelnen sollten bei dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit berücksichtigt werden. Zur Messung kann der bereits in mehreren Sprachen vorliegende Work Role Functioning Questionnaire (WRFQ) herangezogen werden. Für Deutschland gab es mit diesem Instrument bislang keine Daten. Der Fragebogen wurde von unserer Arbeitsgruppe aus der niederländischen Version interkulturell angepasst und in einer heterogenen Stichprobe erwerbstätiger, abhängig Beschäftigter mit dem Ziel einer psychometrischen Validierung im April 2018 eingesetzt.

Grundlegende Annahmen von Individuen über ihre eigenen Werte, ihre Kompetenzen und Fertigkeiten (sog. Core Self-Evaluations) können die arbeitsbezogene Funktionsfähigkeit negativ beeinflussen, darunter Depressionen und eine geringe allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung. Beide Faktoren wurden in der genannten Befragung erhoben. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welcher Zusammenhang zwischen der beruflichen Leistungsfähigeit Erwerbstätiger und den beiden Faktoren besteht.

Methoden: Die ursprünglich 27 Items des WRFQ (5-Punkt- Likertskaliert) mit vier Dimensionen wurden im Rahmen der Validierung auf 20 Items, eine 3-Punkt-Likertskalierung und drei Dimensionen reduziert (Mittelwertscores 1. „Work scheduling demands“, 2. „Physical demands“ und 3. „Mental and social demands“, jeweils mit einer Spanne zwischen 0 und 100 zur niedrigsten bzw. besten Funktionsfähigkeit).

Die Datenerhebung erfolgte in einem kommerziellen Online Access Panel mit einer Zielgröße von ca. 600 Befragten aus unterschiedlichsten Berufen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, ohne bevorstehendem Beschäftigungsstopp z.B. aufgrund anstehender Berentung in den nächsten 12 Monaten und keine bestehende Schwangerschaft bei Frauen.

Der prädiktive Einfluss der beiden Variablen, kontrolliert nach Alter und allgemeinem Gesundheitsstatus (SF12 Globalitem, von 1= sehr gut bis 5= schlecht, für Analysen dichotomisiert), wurde in schrittweise aufgebauten linearen Regressionsmodellen mit Rückwärtselimination der Variablen aus dem Modell (Methode: Backward) überprüft. Als Maß für Depressivität wurde das Depressionsmodul des Gesundheitsbogens für Patienten (PHQ-9) genutzt und die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung mit der 3-Item-Kurzskala ASKU (1= trifft gar nicht zu bis 5= trifft voll zu) erhoben.

Ergebnisse: Die Stichprobenzielgröße wurde mit einem Oversampling von 86% erreicht. Gut die Hälfte die 653 Befragten (Altersdurchschnitt 43±12 Jahre, 47% weiblich) schätzte ihre allgemeine Gesundheit als exzellent/gut ein. Die arbeitsbezogene Funktionsfähigkeit (Gesamtwert) lag im Mittel bei 59 von 100 Punktwerten (SD 24). Im finalen Regressionsmodell zeigten sich die PHQ-9- und die ASKU-Skala (Beta 0,19) sowie das SF12-Item zum gegenwärtigen Gesundheitszustand in dieser Reihenfolge als statistisch bedeutsam.

Diskussion und praktische Implikationen: Der WRFQ zielt auf die Passung zwischen Anforderungen und Person und damit auf die Teilhabefähigkeit. Er eignet sich als Outcome-Parameter für Interventionen, die sekundärpräventiv auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit zielen, bzw. tertiärpräventiv eine erfolgreiche Rückkehr in den Arbeitsprozess unterstützen, aber auch zur Identifikation von Beschäftigten mit sinkender Funktionsfähigkeit. Bei der zielgruppengerechten Planung von Interventionen und ihrer Evaluation sollten Kernmerkmale der Persönlichkeit, zu denen die beiden untersuchten Aspekte gehören, grundsätzlich mit erfasst werden.