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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Erfahrungen mit Patientensicherheitsaspekten in der hausärztlichen Versorgung und im Krankenhaus aus Bürger*innenperspektive – ausgewählte Befragungsergebnisse

Meeting Abstract

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  • Nina-Alexandra Götz - Universität Osnabrück/ Institut für Gesundheitsforschung und Bildung, New Public Health, Osnabrück, Germany
  • Birgit Babitsch - Universität Osnabrück/ Institut für Gesundheitsforschung und Bildung, New Public Health, Osnabrück, Germany
  • Hilke Mansholt - Universität Osnabrück/ Institut für Gesundheitsforschung und Bildung, New Public Health, Osnabrück, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf377

doi: 10.3205/19dkvf377, urn:nbn:de:0183-19dkvf3777

Published: October 2, 2019

© 2019 Götz et al.
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Text

Hintergrund: Bislang werden Patientensicherheitsthemen und -problematiken v. a. im Zusammenhang mit bestimmten Settings und Institutionen erhoben und ausgewertet, wie z. B. durch Befragungen mit Bezug auf die Einrichtungen oder bestimmte Therapie- und Behandlungssituationen. Übergreifende Untersuchungen oder Erhebungsinstrumente, welche die Sicht von Patient*innen oder Bürger*innen erfassen, existieren kaum bis auf wenige Ausnahmen (vgl. z. B. [1]).

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Gestaltungskompetenz als Innovator für hochzuverlässige Organisationen im Gesundheitssystem“ (GIO) wird u. a. die Frage untersucht, welche Erfahrungen Bürger*innen zu Patientensicherheitsthemen gemacht haben, um darauf aufbauend allgemeine Versorgungsbedarfe und -defizite zu identifizieren und abzuleiten. Ziel der Befragung war es, aus Bürger*innenperspektive ein umfassendes Bild über die Wahrnehmung und Erfahrungen in Bezug auf Patientensicherheitsaspekte zu erlangen, um somit bis dato fehlende Informationen zur Beschreibung der Kontextbedingungen zu erfassen und in das Gesamtprojekt einzuspeisen.

Fragestellung: Neben weiteren standardisierten Fragen zur Einschätzung und Wahrnehmung von Patientensicherheitsaspekten, wurden die folgenden zwei offenen Fragen zur Identifikation von Versorgungsbedarfen und -defiziten aus Bürger*innenperspektive gestellt:

1.
„In welchen Situationen wurden von den Bürger*innen Unsicherheiten erlebt in der letzten hausärztlichen oder Krankenhausbehandlung?“
2.
„Welche Fehlertypen oder Beinaheschäden haben die Befragten selber oder deren Angehörige schon einmal während einer hausärztlichen oder Krankenhausbehandlung erfahren?“

Methode: Die Fragebögen wurden postalisch an 2.944 Bürger*innen aus einer Einwohnermeldeamtsstichprobe in der Stadt Osnabrück verschickt. An der Befragung nahmen 355 Personen (137 Personen männlich und 218 Personen weiblich) im Alter zwischen 19 und 80 Jahren teil. Neben weiteren standardisierten Fragen zur Wahrnehmung und allgemeinen Einschätzung von Patientensicherheitsthemen, wurden die Befragten in dem Fragebogen mit jeweils zwei Freitextfeldern nach den o. g. Situationen bzw. Fehlertypen und Beinaheschäden gefragt.

Die Auswertung der Freitextfelder erfolgte induktiv in Anlehnung an die zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring [2] mit der Software MAXQDA. Das induktiv gebildete Kategoriensystem wurde von einer weiteren Person zur Überprüfung der Intercoderreliabilität recodiert und überprüft. Unstimmigkeiten wurden im Konsens gelöst.

Ergebnisse: Es wurden Kategorien für erlebte Unsicherheiten wie z.B. „Medikationsverordnung und -verabreichung“, „Informationskontinuität/Kommunikationsprobleme“ oder auch subjektiv wahrgenommene Unsicherheiten wie „Patient*in fühlt sich nicht ausreichend aufgeklärt/alleine gelassen“ aus den Freitextfeldern identifiziert.

Bei der Auswertung von erlebten Fehlertypen oder Beinaheschäden wurden Kategorien wie z.B. „Falsche Diagnose“, „Fehlerhafte Behandlung/Therapie“ oder „Patient*in wurde nicht zugehört/fühlt sich nicht ernst genommen“ ermittelt.

Die induktive Auswertung der Ergebnisse ergab bei der vergleichenden Gegenüberstellung, dass bei den Angaben zur hausärztlichen und der Krankenhausbehandlung ähnliche Kategorien identifiziert wurden.

Diskussion und praktische Implikation: Die Perspektive von Personen, die sich nicht unmittelbar in einer Gesundheitseinrichtung oder Behandlungssituation befinden, wird bisher kaum berücksichtigt in der Versorgungsforschung, um hieraus Versorgungsbedarfe und -defizite abzuleiten für die Versorgungsgestaltung. Die Auswertungsergebnisse weisen darauf hin, dass neben eher objektiven Kriterien wie „falsche Medikamentengabe“ etc., auch subjektiv wahrgenommene Aspekte, wie „Patient*in fühlt sich nicht ernst genommen“ oder „Patient*in wurde nicht zugehört“, relevant für Patientensicherheitsaspekte sein könnten.

Entsprechende interaktive Lernangebote für Mitarbeiter*innen in Gesundheitseinrichtungen, die sich mit Themen zur Patientensicherheit befassen, werden im nächsten Projektschritt des GIO-Forschungsprojekts entwickelt und erprobt. Diese werden u. a. auf diese Versorgungsbedarfe aus Sicht der Bürger*innen abzielen bzw. diese berücksichtigen.

Weitere Hintergrundinformationen: Informationen zum GIO-Projekt unter: https://www.nachhaltige-patientensicherheit.de/

Das Studienvorhaben wurde von der Ethikkommission der Universität Osnabrück positiv begutachtet.


Literatur

1.
Ricci-Cabello I, Avery AJ, Reeves D, Kadam UT, Valderas JM. Measuring Patient Safety in Primary Care: The Development and Validation of the "Patient Reported Experiences and Outcomes of Safety in Primary Care" (PREOS-PC). Ann Fam Med. 2016 May;14(3):253-61. DOI: 10.1370/afm.1935 External link
2.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12., überarb. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz; 2015.