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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Patienten-relevante Zielparameter: Ein systematischer Überblick über die internationale Terminologie, verwendete Parameter und deren Begründung

Meeting Abstract

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  • Christine Kersting - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Innovation und Zusammenarbeit in der ambulanten Gesundheitsversorgung, Witten, Germany
  • Malte Kneer - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Innovation und Zusammenarbeit in der ambulanten Gesundheitsversorgung, Witten, Germany
  • Anne Barzel - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Innovation und Zusammenarbeit in der ambulanten Gesundheitsversorgung, Witten, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf316

doi: 10.3205/19dkvf316, urn:nbn:de:0183-19dkvf3166

Published: October 2, 2019

© 2019 Kersting et al.
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Hintergrund: Das Konzept der patientenzentrierten Versorgung sieht vor, Patient*innen, ihre Bedürfnisse und Werte in den Mittelpunkt der Versorgung zu stellen und sie angemessen informiert partizipativ in die Behandlungsplanung einzubeziehen. In diesem Kontext stellt sich die Frage, anhand welcher Zielparameter die Relevanz für Patient*innen adäquat abgebildet werden kann, durch wen die Relevanz beurteilt wird und, ob es spezifische Kriterien gibt, die Patient*innen als relevant erachten. In der Literatur werden verschiedene Terminologien verwendet, ohne dass eine einheitliche Definition und Klassifikation patienten-relevanter Zielparameter erkennbar ist.

Fragestellung:

1.
Welche Begriffe werden zur Umschreibung patienten-relevanter Zielparameter in der internationalen Literatur verwendet?
2.
Welche Parameter werden als patienten-relevant erachtet? (3) Wie wird die Auswahl dieser Parameter begründet?

Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in PubMed durchgeführt. Berücksichtigt wurden Artikel aus dem Zeitraum 01.01.2000 bis 31.03.2019, die im Titel einen der Begriffe patient-relevant outcome(s), patient-relevant endpoint(s), patient-relevant parameter(s), patient-relevant indicator(s), patient-important outcome(s), patient-important endpoint(s), patient-important parameter(s), patient-important indicator(s), patient-preferred outcome(s), patient-preferred endpoint(s), patient-preferred parameter(s) oder patient-preferred indicator(s) aufwiesen und über konkrete Zielparameter berichteten, die von den Autoren als patienten-relevant bezeichnet wurden. Die so identifizierten Artikel wurden mittels strukturierender qualitativer sowie quantitativer Inhaltsanalyse ausgewertet:

1.
Alle Begriffe zur Umschreibung patienten-relevanter Zielparameter wurden in Originalschreibweise aus den Artikeln zusammengetragen und im Gesamten sowie je Artikel quantifiziert.
2.
Die als patienten-relevant berichteten Zielparameter wurden artikelweise extrahiert und induktiv kategorisiert. (3) Je Artikel wurde überprüft, ob und wie die Autoren begründeten, warum sie die Zielparamater als patienten-relevant erachteten. Die Begründungen wurden induktiv kategorisiert.

Ergebnisse: Die Suche ergab 73 Artikel, von denen 42 die Einschlusskriterien erfüllten. Insgesamt wurden 30 verschiedene Termini identifiziert. Am häufigsten verwendeten die Autoren die Begriffe „patient-important outcome“ (n=22 Studien, 52,4%) und „patient-relevant outcome“ (n=16 Studien, 38,1%) zur Umschreibung patienten-relevanter Zielparameter. 20 Studien (47,6%) beschränkten sich auf einen Begriff und 14 (33,3%) auf maximal zwei Begriffe, während die restlichen 8 Studien bis zu fünf Begriffe verwendeten. Als patienten-relevant beschrieben die Autoren am häufigsten die Zielparameter schwerwiegende Ereignisse/Komplikationen, Überleben/Mortalität, Symptome, Schmerz und generische Lebensqualität. Die Mehrzahl der Studien (n=38, 90,5%) stellte die Patientenrelevanz nicht generisch, sondern für einzelne Erkrankungen bzw. Interventionen dar, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Knie- oder Hüftendoprothetik. Begründungen für die Patientenrelevanz der Zielparameter basierten auf Einschätzungen von Patient*innen und/oder Expert*innen (n=13, 31,0%), auf anderen Studien (n=10, 28,8%) bzw. spezifischen Klassifikationen wie ICF (n=2, 4,8%) oder auf der Annahme, dass patienten-relevante mit selbstberichteten Zielparametern gleichzusetzen sind (n=3, 7,1%). In 14 Studien (33,3%) begründeten die Autoren die Patientenrelevanz nicht.

Diskussion: Die Analyse zeigt eine Vielzahl verschiedener Zielparameter und Begriffe zur Umschreibung patienten-relevanter Zielparameter auf, ohne dass ein einheitliches zugrundeliegendes Konzept oder Begriffsverständnis erkennbar ist. Zudem fällt auf, dass Parameter, die soziale Dimensionen abbilden, unterrepräsentiert sind. Das Fehlen einer allgemeingültigen Terminologie sowie die inkonsistente Auswahl von Zielparametern erschweren die Vergleichbarkeit von Studien und Behandlungsansätzen, und damit auch die Beurteilung des Patientennutzens.

Praktische Implikationen: Die Operationalisierung einer patientenzentrierten Versorgung bedarf der Verständigung auf eine Terminologie für patienten-relevante Zielparameter und sollte Patient*innen aktiv beteiligen. Dazu soll auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse eine qualitative Studie mit Leistungserbringern und Patient*innen durchgeführt werden, mit dem Ziel, erkrankungsübergreifend Parameter mit Relevanz für Patient*innen zu identifizieren.