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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Entwicklung eines fachübergreifenden, praxisnahen Szenarios unter Anwendung von Big Data Technologien für die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen (BIDA-SE)

Meeting Abstract

  • Brita Sedlmayr - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Digital Health/Telemedizin, Dresden, Germany
  • Andreas Knapp - Universitätsklinikum Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany
  • Michéle Kümmel - Institut für Medizinische Informatik und Biometrie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Professur für Medizinische Informatik, Dresden, Germany
  • Franziska Bathelt - Institut für Medizinische Informatik und Biometrie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Professur für Medizinische Informatik, Dresden, Germany
  • Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Martin Sedlmayr - Institut für Medizinische Informatik und Biometrie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Professur für Medizinische Informatik, Dresden, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf275

doi: 10.3205/19dkvf275, urn:nbn:de:0183-19dkvf2756

Published: October 2, 2019

© 2019 Sedlmayr et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland leben etwa 4 Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Aufgrund der Vielfalt seltener Erkrankungen und dem mangelnden Spezialwissen der Hausärzte diesbezüglich, werden die Patienten nur selten richtig diagnostiziert und adäquat therapiert. Die korrekte Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen (MsE) stellt somit eine große Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Einzelne Studien belegen bereits, dass mit Hilfe von Big Data Verfahren die Diagnosestellung verbessert und seltene Erkrankungen effektiver erforscht werden können. Deutschlandweit existiert aber bisher kein konkretes, umfassendes Konzept für den Einsatz von Big Data zur Versorgung von MsE. Im Rahmen des BMG-geförderten Projekts „Einsatzmöglichkeiten und klinischer Nutzen von Big Data Anwendungen im Kontext seltener Erkrankungen -BIDA-SE“ (FKZ: ZMVI1-2519DAT702) soll die Frage beantwortet werden, wie Big Data Anwendungen sinnvoll in der Versorgungspraxis von MsE einfließen können.

Fragestellung:

1.
Wie könnte ein praxisnahes Szenario unter Anwendung von Big Data Technologien für die Versorgung von MsE aussehen und welche Maßnahmen werden für die mittelfristige Umsetzung empfohlen?
2.
Welchen Nutzen in Bezug auf dieses Szenario sehen Ärzte für die Patientenversorgung und wie würden Patienten einen Big Data-unterstützten Versorgungsprozess akzeptieren?
3.
Welche technischen, systemischen, organisatorischen und rechtsregulatorischen Grenzen und Barrieren sind für das Szenario vorhanden und wie können diese überwunden werden?
4.
Welche Implikationen aus ökonomischer Sicht sind mit dem entwickelten Szenario verbunden?

Methode: Das Projekt gliedert sich in die drei Phasen und wendet einen gemischten methodischen Ansatz an:

  • A. Ist-Analyse: Zunächst wird der Versorgungspfad ausdetailliert (Experten-Workshop: Ärzte) und die IT-Systeme zusammengetragen, in welchen Daten gesammelt werden (narratives Review). Es wird analysiert, welche Patientendaten sich aus den verschiedenen Systemen filtern lassen, welche Daten für eine Versorgung obligatorisch bzw. fakultativ sind und welche Daten(-quellen) bisher fehlen (Online-Befragung: Ärzte, IT-Experten). Darüber hinaus werden Big Data Anwendungen im Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ identifiziert (Umbrella Review) und für das Szenario ausgewählt.
  • B. Initiale Szenarioentwicklung: Auf Basis der Ergebnisse der Ist-Analyse wird ein initiales Nutzungsszenario entwickelt, welches einen hohen Praxisbezug aufweist (Experten-Workshop: Ärzte, Patientenvertreter, Versorgungsforscher, IT-Experten, IT-Sicherheitsbeauftragte, Datenschützer).
  • C. Evaluation und Anpassung des Szenarios: Anschließend wird der zu erwartende (klinische) Nutzen des Szenarios evaluiert und Grenzen und Barrieren der Nutzung erfragt (Online-Befragung: Ärzte, Patienten, IT-Experten, Versorgungsforscher). Auf Basis der Evaluierungsergebnisse wird das Szenario angepasst, und ein Maßnahmenkatalog erstellt, der Empfehlungen für die Umsetzung des Szenarios enthält (Experten-Workshop: Teilnehmer Phase B). Abschließend wird eine ökonomische Analyse des Szenarios (Investitionskosten, erforderliche Anpassung der Vergütung) vorgenommen.

Ergebnisse: Zentrales Ergebnis des Projekts ist ein praxisnahes und auf unterschiedliche Versorgungsstufen übertragbares Szenario zur Anwendung von Big Data Technologien für eine verbesserte Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen. Die geplante Evaluation soll dazu beitragen, Evidenz hinsichtlich des klinischen Nutzens für die Patientenversorgung sowie zur Praktikabilität und Umsetzbarkeit zu generieren. Zusätzlich wird das Projekt Erkenntnisse liefern, welche Aktivitäten von technischer, systemischer, organisatorischer und rechtregulatorischer Seite her angestoßen werden müssten, um eine mittelfristige Umsetzung des Szenarios zu gewährleisten. Das Projekt wurde mit dem 01.03.2019 begonnen. Beim DKVF 2019 werden das initial entwickelte Nutzungsszenario (Ergebnisse Phase B) und der Prozess der Szenarioentwicklung vorgestellt.

Diskussion: Das Projektvorhaben setzt direkt an die im „Nationalen Aktionsplan für Menschen mit seltenen Erkrankungen“ benannten Ziele
a.) Unterstützung des Erstkontakts beim Primärversorger und
b.) Entwicklung bzw. Erforschung von Technologien zur Diagnosefindung an.

Es bietet ein konkretes, umfassendes Konzept für den Einsatz von Big Data zur Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen und zeigt auf, welches konkrete (klinische) Nutzenpotential besteht, welche Grenzen mit dem Einsatz von Big Data Verfahren zur Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen verbunden sind und wie diese überwunden werden können.

Praktische Implikationen: Das entwickelte Szenario verdeutlicht, wie Big Data Anwendungen sinnvoll in der Praxis genutzt werden können, um die Diagnostik und Therapie von MsE nachhaltig zu verbessern. Die Ergebnisse des Projekts können dazu beitragen, den Zugang zu den Zentren für Seltene Erkrankungen zu kanalisieren.