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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Ideen zur Verbesserung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung – Ergebnisse aus Gruppendiskussionen mit Haus- und Klinikärzten, Pflegefachpersonen und Medizinischen Fachangestellten

Meeting Abstract

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  • Helen Ewertowski - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Nils Schneider - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Stephanie Stiel - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf259

doi: 10.3205/19dkvf259, urn:nbn:de:0183-19dkvf2594

Published: October 2, 2019

© 2019 Ewertowski et al.
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Hintergrund: Die meisten Menschen wünschen sich zu Hause zu sterben. Dabei kommt Hausärzten eine besondere Bedeutung zu. Ziel des Projektes „Allgemeine ambulante Palliativversorgung in der hausärztlichen Praxis“ (ALLPRAX, BMBF – FK 01GY1610) ist es, mit einem interdisziplinären Bottom-up-Ansatz Ideen und Konzepte zu entwickeln, um die hausärztliche Palliativversorgung zu verbessern. In der ersten Projektphase wurde der Frage nachgegangen, welche Faktoren die Palliativversorgung durch Hausärzte fördern und hemmen. Die im Feld gewonnenen Erkenntnisse dienen in der zweiten Projektphase (Gegenstand dieses Abstracts) dazu, Ideen für die Weiterentwicklung allgemeiner ambulanter Palliativversorgung (AAPV) zu erarbeiten.

Fragestellung: Welche Lösungen und Handlungsoptionen sehen Leistungserbringer für die Verbesserung der AAPV?

Methode: Im April 2018 wurden im Rahmen partizipativer Forschung 9 Gruppendiskussionen mit Haus- und Klinikärzten, Pflegefachpersonen und Medizinischen Fachangestellten (MFAs) durchgeführt. Die insgesamt 28 Teilnehmenden wurden nach Kriterien basiertem Sampling ausgewählt, um möglichst heterogene Erfahrungen und Perspektiven aus der Hospiz- und Palliativversorgung zu integrieren. Kriterien für die Auswahl betrafen die Versorgung im ländlichen oder städtischen Raum, Orte der Versorgung von Patienten (zu Hause, Krankenhaus, Pflegeheim, Hospiz), Arbeit von Hausärzten und MFAs in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen und das Ausmaß der Erfahrung in palliativer Versorgung.

In der Erhebung wurden Ergebnisse aus 28 Themen- und Problemfeldern der ersten Projektphase vorgestellt und durch die Teilnehmenden diskutiert. Ziel der Gruppendiskussionen war es, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, um die AAPV zu verbessern. Die Auswertung der Gruppendiskussionen erfolgte inhaltsanalytisch.

Ergebnisse: Aus Sicht der Leistungserbringer könnten Entwicklungen in fünf zentralen Bereichen die Erbringung von AAPV erleichtern und verbessern:

1.
Übergeordnete Rahmenbedingungen (strukturelle, rechtliche, finanzielle Aspekte der Versorgung): Versorgende befürworten z.B. den Aufbau einer spezifischen Abteilung für Palliativpatienten in Krankenkassen, um eine schnelle Bearbeitung von Anträgen für die Kostenübernahme von Pflegediensten und Hilfsmitteln zu ermöglichen. Auch eine rechtliche Erlaubnis für Pflegefachpersonen Hilfsmittel verordnen zu dürfen, erscheint den Teilnehmenden vorteilhaft, um Versorgung effizienter und zielgruppenorientierter zu gestalten.
2.
Bildung und Wissen: Hausärzte sehen die Versorgung von Patienten und die Zusammenarbeit in der Praxis verbessert, wenn z.B. Lehrinhalte zur Palliativversorgung und Kommunikation in der Ausbildung von MFAs größeren Raum fänden. Versorgende wünschen sich auch bessere Informationen über die Qualität von Fort- und Weiterbildungsangeboten, z.B. durch den Zugang zu öffentlichen Bewertungen von Kursen.
3.
Praxisorganisation: Eine effizientere Nutzung von Praxissoftware mit Erinnerungsfunktionen, die Dokumentation von MFA-Patienten-Gesprächen oder die aktive Einleitung erster Behandlungsschritte durch MFAs könnte aus Sicht der Leistungserbringer die Versorgung von Patienten erleichtern.
4.
Koordination und Kooperation: Versorgende regen an, für die AAPV eine ‚Koordinationskraft‘ (z.B. Hausarzt oder MFA) zu benennen, die Versorgungsleistungen für Patienten in der ambulanten Palliativversorgung organisiert und koordiniert. Für eine erleichterte Zusammenarbeit in der AAPV nennen Leistungserbringer auch die Idee, dass Hausärzte standardisiert vor Vertretungszeiten unter einander Übergaben durchführen.
5.
Versorgende Aufgaben: Für eine vorausschauende Versorgungsplanung sehen Leistungserbringer als mögliche Handlungsweise, vor dem Wochenende zu Patienten in palliativen Situationen proaktiv Kontakt aufzunehmen. Versorgende empfehlen z.B. auch, Notfallmedikamente in der Häuslichkeit zu hinterlegen. Dies könnte Patienten und ihren Angehörigen Sicherheit geben und Notfallkontakten vorbeugen.

Diskussion: Die genannten Ideen sind zum Teil durch Hausärzte und ihre Praxisteams umsetzbar, betreffen aber auch übergeordnete Rahmenbedingungen und andere Akteure, wie z.B. Krankenkassen. Zudem sind einige der erarbeiteten Handlungsstrategien vermutlich eher in bestimmten Kontexten (z.B. Gemeinschaftspraxen) durchführbar. Inwiefern die Ideen, die sich an Hausärzte und Praxisteams richten, in den Praxisalltag integriert werden können, wird im nächsten Projektabschnitt konkret erprobt, einschließlich einer Erprobung der Effekte im jeweiligen Kontext.

Praktische Implikationen: Ziel der kommenden Projektphase ist es, i) gemeinsam mit Hausärzten und MFAs aus dem generierten Ideenmaterial diejenigen Ansätze auszuwählen, die sie in ihrer Praxis für machbar erachten und ii) diese Ansätze so zu schärfen, dass sie in die Praxisroutinen implementiert werden können. Die Evaluation erfolgt mittels ethnographischer Methoden und Fragebogenerhebungen.