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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Kinderblindheit in Kinshasa – der Einfluss der Kataraktchirurgie auf die postoperative soziale und ökonomische Entwicklung

Meeting Abstract

  • Stefanie Frech - Universitätsmedizin Rostock, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Rostock, Germany
  • Sara Laib - Universitätsmedizin Rostock, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Rostock, Germany
  • Thomas Stahnke - Universitätsmedizin Rostock, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Rostock, Germany
  • Rudolf F. Guthoff - Universitätsmedizin Rostock, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Rostock, Germany
  • Adrian Hopkins - Programme National de Santé Oculaire et Vision (PNSOV), Programme National de Santé Oculaire et Vision (PNSOV), Kinshasa, Congo
  • Astrid Moanda - Réhabilitation à Assise Communautaire (RAC/CBR), Réhabilitation à Assise Communautaire (RAC/CBR), Kinshasa, Congo
  • Edith Mukwanseke - St. Joseph Hospital/CFOAC, Eye Department, Kinshasa, Congo
  • Georgette Ngweme - St. Joseph Hospital/CFOAC, Eye Department, Kinshasa, Congo
  • Janvier Kilangalanga - St. Joseph Hospital/CFOAC, Eye Department, Kinshasa, Congo

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf221

doi: 10.3205/19dkvf221, urn:nbn:de:0183-19dkvf2212

Published: October 2, 2019

© 2019 Frech et al.
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Text

Hintergrund: Der globale Mittelwert der durch Katarakt verursachten Kinderblindheit liegt bei 14%, der Mittelwert in Entwicklungsländern, der sub-Sahara Region eingeschlossen, hingegen bei 30%, wobei die Erkrankung eine behandelbare Ursache der Kinderblindheit darstellt. Bei der Behandlung ist zu berücksichtigen, dass eine zu späte Operation unter Umständen eine therapieresistente Amblyopie zurücklassen kann. Während der letzten 20 Jahre wurde in enger Kooperation zwischen dem St. Joseph Hospital in Kinshasa, Demokratische Republik Kongo, und der Universität Rostock ein Früherkennungs-, Behandlungs- und Nachsorgeprogramm aufgebaut. Schwerpunkte lagen dabei in der Identifizierung der blinden Kinder durch ehrenamtliche Sozialarbeiter, der Vorstellung in der Klinik und der spezialisierten Kataraktchirurgie sowie einer intensiven Nachsorge. Untersuchungen zu den sozialen Auswirkungen von operierten Kindern liegen bisher nicht vor.

Fragestellung: In der Studie wurde untersucht, welchen Einfluss unsere Maßnahmen auf die postoperative Lebensqualität, die soziale Entwicklung und die Schulbildung von operierten Kindern in Kinshasa hat.

Methode: In Rostock wurde, basierend auf Ergebnissen von bilateral operierten Kindern, eine serverbasierte Datenbank generiert. Die Datenbank beinhaltet medizinische Informationen mit prä- und postoperative Patientendaten, wie der Sehschärfe, dem Nystagmus und dem Strabismus. Um einen umfassenderen Patientenüberblick zu bekommen, wurde die Datenbank um Informationen zu den Ergebnissen der Nachfolgeuntersuchungen, zur Schulbildung und zu sozialen und sozio-ökonomischen Parametern der Kinder erweitert und in einer retrospektiven Studie analysiert.

Ergebnisse: Die Datenbank umfasst Informationen über ca. 300 bilateral operierte Kinder. Die meisten Familien lebten in einer schlecht entwickelten Region von Kinshasa mit einem niedrigen und nicht regelmäßigen Einkommen. Die meist deutlich verbesserte postoperative Sehschärfe half, dass eine Vielzahl der Kinder eine normale Schule besuchen konnte. In einigen Fällen folgte der Schulbildung eine universitäre Ausbildung. Selbst für Kinder mit weniger gutem Visusergebnis wurde in vielen Fällen eine Verbesserung der Lebenssituation beobachtet. Die Aufnahme ins Nachsorgeprogramm beeinflusste, unabhängig von der postoperativen Sehschärfe, die soziale Entwicklung des Kindes positiv. Bei 2% der Kinder wurde postoperativ ein Visusabfall diagnostiziert. Mit Hilfe der Gemeinde wurden diese Kinder nach der Operation in Blindenschulen integriert.

Diskussion: Das Ziel dieser Studie war es, die sozialen Lebensumstände und die Entwicklung der Schulbildung der erblindeten Kinder nach erfolgter Kataraktoperation zu untersuchen. Durch diesen etablierten ganzheitlichen Ansatz bestehend aus Vor- und Nachsorge konnte eine Verbesserung der Lebensqualität der Kinder in dem komplexen und schwierigen Umfeld in Kinshasa erreicht werden. Die Strukturen des katholischen Erzbistums Kinshasa stellen dabei, im Vergleich zu den wechselnden politischen Strukturen des Landes, einen wesentlicher Stabilitätsfaktor dar.

Praktische Implikationen: Die Aufrechterhaltung der Aktivitäten zur Identifizierung blinder Kinder und die weitere Steigerung der Qualität der Kataraktchirurgie helfen die Lage von Kindern mit Sehbeeinträchtigungen unterschiedlichen Ausmaßes zu verbessern. Die Untersuchungen zur postoperativen Lebensgestaltung der Kinder zeigten, dass der erste Schritt hinsichtlich der Etablierung einer Versorgungsforschungsstruktur erfolgreich war und weitergeführt werden muss, damit in Zukunft möglichst viele, durch Katarakt erblindete Kinder von dem Programm profitieren können. Zur Anwendung des Programms auf weitere Bezirke in der Stadt werden in den nächsten 3 Jahren die erforderlichen Maßnahmen über ein bewilligtes Projekt von der Else Kröner Fresenius Stiftung (EKFS) mitfinanziert.