gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlungen und Intensivtherapie am Lebensende – eine nationale Analyse der DRG-Statistik zwischen 2007 und 2015

Meeting Abstract

  • Carolin Fleischmann - Universitätsklinikum Jena, Center for Sepsis Control and Care, Jena, Germany
  • Anna Mikolajetz - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Germany
  • Konrad Reinhart - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Anästhesiologie m. S. operative Intensivmedizin, Berlin, Germany
  • Randall Curtis - University of Washington, Division of Pulmonary, Critical Care, and Sleep Medicine, Seattle, United States
  • Ulrike Haase - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Anästhesiologie m. S. operative Intensivmedizin, Berlin, Germany
  • Daniel Thomas-Rueddel - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Jena, Germany
  • Christiane Hartog - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Anästhesiologie m. S. operative Intensivmedizin, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf214

doi: 10.3205/19dkvf214, urn:nbn:de:0183-19dkvf2145

Published: October 2, 2019

© 2019 Fleischmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Durch den demografischen Wandel wird bis 2050 wird ein Zuwachs der Todesfälle in Deutschland um 26% erwartet [1]. Mit lebensbedrohlicher Erkrankung konfrontiert, wünschen sich die meisten Menschen, zuhause zu versterben [2]. Im Gegensatz dazu nimmt in Industrieländern wie den USA die Zahl von älteren, multimorbiden Patienten, die unter Nutzung intensivmedizinischer Ressourcen am Lebensende im Krankenhaus versorgt werden, kontinuierlich zu [3]. Für Deutschland ist bisher unbekannt, wie hoch der Anteil von Menschen ist, die im Krankenhaus unter Nutzung von Intensivtherapie versterben.

Fragestellung: Wieviele Menschen verstarben zwischen 2007 und 2015 in Deutschland im Krankenhaus und erhielten im Rahmen des terminalen Krankenhausaufenthaltes eine intensivmedizinische Behandlung? Gibt es altersgruppenspezifische Trends?

Methode: Auswertung von terminalen Krankenhausaufenthalten mit und ohne Intensivbehandlung auf Basis der Fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) des Statistischen Bundesamtes für 2007-2015. Die Identifikation von Intensivbehandlungen erfolgte auf Basis der OPS-Codes für Intensivmedizinische Komplexbehandlung (8-980, 8-98c, 8-98d, 8-98f). Ausgeschlossen wurden Patienten mit unbekanntem Alter und Geschlecht. Die Datenanalyse erfolgte mit SAS® (Version 9.4; SAS Institute, Cary, NC, USA) and R (Version 3.4.0; R Core Team, Wien, Austria). Die Daten wurden deskriptiv unter Angabe von absoluten Fallzahlen, prozentualen Anteilen und Inzidenzraten ausgewertet. Die beobachteten Inzidenzraten wurden auf Basis der vom Statistischen Bundesamt angegebenen nationalen Bevölkerung zum 31.12.2007 entsprechend der Bevölkerungsstruktur alters- und geschlechtsadjustiert.

Ergebnisse: 47,6% der 2007 bzw. 45,9% der 2015 in Deutschland Verstorbenen starben im KH. Dies entspricht einer alters- und geschlechtsstandardisierten Rate von 4,8 bzw. 4,4 Todesfällen im KH pro 1.000 Einwohner pro Jahr. Absolut nahm die Zahl von Patienten, die im KH verstarben, von 393.388 auf 425.073 zu, was einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 1,0% entspricht. In 2007 wurden 20,6% der Verstorbenen intensivmedizinisch behandelt. Dieser Anteil stieg bis 2015 auf 25,6% (durchschnittlich Zuwachs von 2,8% pro Jahr). Gleichzeitig nahm die Zahl von im KH Verstorbenen, die während des terminalen Krankenhausaufenthaltes intensivmedizinisch behandelt wurden, von 1,0 auf 1,2 pro 1.000 Einwohner pro Jahr zu. Dies entspricht einem Anteil von 9,8% bzw. 11,8% aller 2007 bzw. 2015 in Deutschland Verstorbenen. Der Zuwachs an Intensivstationsbehandlungen im Rahmen terminaler Krankenhausaufenthalte war besonders in den Altersgruppen >65 Jahre ausgeprägt. Hier nahm die Zahl von im Krankenhaus Verstorbenen mit Intensivstationsbehandlung um jährlich durchschnittlich 3,9% zu, während die Zahl aller im Krankenhaus verstorbenen Menschen um durchschnittlich 1,2% zunahm. In der Altersgruppe der über 85-Jährigen war der Zuwachs von terminalen Krankenhausbehandlungen mit Intensivstationsbehandlungen mit jährlich durchschnittlich 7,0% am stärksten, während die terminalen Krankenhausaufenthalte insgesamt um jährlich durchschnittlich 3,6% anstiegen.

Diskussion: Während der Anteil von Menschen, die in Deutschland im Krankenhaus verstarben, zwischen 2007 und 2015 sank, nahm die Rate Intensivmedizinischer Behandlungen im Rahmen terminaler Krankenhausaufenthalte zu. Insbesondere ältere Menschen werden am Lebensende zunehmend intensivmedizinisch behandelt. Die Zunahme intensivmedizinischer Therapien in terminalen Krankenhausaufenthalten blieb auch nach Alters- und Geschlechtsstandardisierung nachweisbar und damit nicht nur auf Veränderungen der Bevölkerungsstruktur zurück zu führen. Auch wenn auf Basis der DRG Statistik nicht nachvollzogen werden kann, ob die Patienten auf Intensivstation verstarben oder nur während des terminalen Krankenhausaufenthaltes intensivmedizinisch behandelt wurden, zeigt sich hier eine relevante Entwicklung der medizinischen Versorgung am Lebensende mit Implikationen für Patienten, Angehörige, medizinisches Personal und Politik.

Praktische Implikationen: Patientenpräferenzen hinsichtlich medizinischer Therapien am Lebensende müssen umfassender untersucht und umgesetzt werden. Es müssen strukturelle und personelle Voraussetzungen geschaffen werden, um dem steigenden Bedarf von palliativmedizinischen bzw. end-of-life Therapien auf Intensivstationen begegnen zu können.


Literatur

1.
Simon ST, Gomes B, Koeskeroglu P, Higginson IJ, Bausewein C. Population, mortality and place of death in Germany (1950-2050) - implications for end-of-life care in the future. Public Health. 2012 Nov;126(11):937-46. DOI: 10.1016/j.puhe.2012.06.014 External link
2.
Gomes B, Calanzani N, Gysels M, Hall S, Higginson IJ. Heterogeneity and changes in preferences for dying at home: a systematic review. BMC Palliat Care. 2013 Feb 15;12:7. DOI: 10.1186/1472-684X-12-7 External link
3.
Teno JM, Gozalo PL, Bynum JP, Leland NE, Miller SC, Morden NE, Scupp T, Goodman DC, Mor V. Change in end-of-life care for Medicare beneficiaries: site of death, place of care, and health care transitions in 2000, 2005, and 2009. JAMA. 2013 Feb 6;309(5):470-7. DOI: 10.1001/jama.2012.207624 External link