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Pay for Performance (P4P) in der stationären Versorgung – systematische Literaturrecherche und Diskussion ausgewählter Ansätze
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Published: | October 2, 2019 |
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Hintergrund: In der stationären Gesundheitsversorgung in Deutschland gibt es einen Wettbewerb um die Qualität und Quantität der Versorgung. Die Ziele der Versorgungsqualität müssen stets mit ökonomischen Interessen in Einklang gebracht werden. Im derzeitigen fallpauschalierten Abrechnungssystem hat primär die Nicht-Einhaltung bestimmter qualitativer Mindeststandards finanzielle Relevanz, etwa im Rahmen der Fallzusammenlegung bei Wiedereinweisung. Möglichkeiten der finanziellen Anreizsetzung zur Erbringung hoher Ergebnisqualität wurden in Deutschland durch das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) geschaffen.
Fragestellung: Welche P4P Programme oder andere Anreizsysteme zur Verbesserung der Ergebnisqualität gibt es international und welche Auswirkungen haben deren Implementierung auf die Versorgungsqualität? Inwiefern sind die Ergebnisse auf den deutschen Kontext übertragbar?
Methode: Aufbauend auf dem Review von Milstein et al. wurden mittels einer systematischen Literaturrecherche in der Medline Datenbank und der Cochrane Database of Systematic Reviews 740 Treffer auf relevante Studien geprüft. Die Suche war auf stationäre P4P-Programme der OECD-Mitgliedsstaaten beschränkt.
Ergebnisse: Zwischen 01/16 und 02/19 wurden 25 Studien gefunden, die die Auswirkungen von acht P4P-Programme auf die medizinische Versorgungsqualität evaluieren und einzelne Gestaltungselemente der Programme analysieren. Die meisten Studien evaluieren die zwei größten Programme der USA: das Hospital value-based Purchasing (HVBP) und das Hospital Readmission Reduction Programme (HRRP).
Das HRRP sanktioniert Krankenhäuser für überdurchschnittlich hohe Wiederaufnahmeraten innerhalb von 30 Tagen nach Entlassung für mittlerweile sechs Krankheitsbilder. Evaluationen des HRRP zeigen eine signifikante Verbesserung in den Wiederaufnahmeraten für akuten Myokardinfarkt (AMI), Pneumonie (Pn) und Herzinsuffizienz (HI). Es gibt jedoch auch Studien, die eine signifikante Verbesserung nur für AMI finden und nicht für Wiederaufnahmeraten der Pn und HI.
Für das HVBP-Programm, welches vier Qualitätsdimensionen und 20 Indikatoren berücksichtigt, konnte keine Verbesserung der Versorgungsqualität festgestellt werden. Weder Mortalitätsraten für AMI, Pn, HI sind nach der Einführung des Programms gesunken, noch ist eine Verbesserung in der Patientenzufriedenheit zu verzeichnen. Anreize, die direkt an Klinikärzte gerichtet sind statt an die Krankenhaus-Ebene zeigen auch keine Effekte. Des Weiteren sind Evaluationen von P4P-Programme außerhalb der USA ebenfalls mit keinen bis geringen Effekten assoziiert. Studien, die die Auswirkungen der Anreizhöhe und Anreizstrukturen analysieren zeigen, dass höhere Anreizzahlungen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für Verbesserungen korrelieren. Anreize, die an relative Verbesserung, bei denen das Krankenhaus als seine eigene Kontrollgruppe dient, motivieren insbesondere leistungsschwächere Krankenhäuser ihre Leistung zu verbessern, da diese Ziele erreichbar für sie sind. Hingegen belohnen Schwellenwerte und absolute Erreichungsziele eher bereits leistungsstarke Krankenhäuser. Mehrere Studien weisen nach, dass die Risikoadjustierung der Qualitätsindikatoren häufig unzureichend ist und somit Krankenhäuser beeinträchtigt werden, die überwiegend soziökonomisch benachteiligte Patientengruppen behandeln, da sie ungerechtfertigter Weise Abschläge erhalten. So fehlen finanzielle Mittel dort wo sie am meisten benötigt werden. Mehrere Fallbeispiele, in denen eine kontinuierliche Erhebung der Ergebnisqualität mittels ICHOM-Sets stattfindet, wie die der Martini-Klinik Hamburg oder die Santeon-Krankenhäuser in den Niederlanden, sprechen dafür, dass eine systematische Erfassung von patientenrelevanten Outcomes und eine stetige Outcome-Analyse zur Verbesserung der Versorgungsqualität führen, obwohl diese nicht an Anreize gekoppelt sind.
Diskussion: Die Studien liefern Hinweise für die Konzipierung von P4P. Es fällt auf, dass der Fokus vieler P4P-Programme von Prozess- auf Ergebnisqualität und Patientenzufriedenheit gerückt ist. Die bisher für 27 Krankheitsbilder entwickelten ICHOM Standard-Sets sind dafür ein Beispiel. Der Einsatz von solchen standardisierten Verfahren und der Fokus auf Ergebnisqualität sind unabdinglich, um eine verbesserte Versorgungsqualität zu erwirken. Anhand von Anreizzahlungen für die Anwendung dieser Verfahren kann die Implementierung und Akzeptanz gefördert werden.
Implikationen: Aus der internationalen Evidenz ergeben sich einige Voraussetzungen und Hinweise für eine erfolgreiche Implementierung von P4P. Es müssten beispielsweise ausreichend hohe Zu- bzw. Abschläge geben, die an ein Patientenmixabhängiges Verteilungssystem geknüpft sind. Der Fokus bei der Vergütung bzw. Überprüfung der Outcomes sollte auf der Erhebung validierter Indikatoren der Ergebnisqualität liegen. Insgesamt darf das System für die Versorger nicht zu komplex werden oder einen hohen bürokratischen Aufwand erfordern.
Förderung: BMBF #01GY1606