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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Das Potenzial von GKV-Routinedaten zur Beschreibung und Erklärung regionaler Unterschiede in der Teilnahme am deutschen Mammographie-Screening-Programm

Meeting Abstract

  • Jonas Czwikla - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Ambulante Versorgung und Pharmakoepidemiologie, Oldenburg, Germany
  • Iris Urbschat - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen, Registerstelle Oldenburg, Oldenburg, Germany
  • Joachim Kieschke - Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen, Registerstelle Oldenburg, Oldenburg, Germany
  • Frank Schüssler - Jade Hochschule Wilhelmshaven Oldenburg Elsfleth, Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik, Oldenburg, Germany
  • Ingo Langner - Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, Abteilung Klinische Epidemiologie, Bremen, Germany
  • Falk Hoffmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Abteilung Ambulante Versorgung und Pharmakoepidemiologie, Oldenburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf193

doi: 10.3205/19dkvf193, urn:nbn:de:0183-19dkvf1933

Published: October 2, 2019

© 2019 Czwikla et al.
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Text

Hintergrund: Brustkrebs ist die häufigste krebsassoziierte Todesursache bei Frauen. Mammographie-Screening-Programme (MSP) zur Früherkennung von Brustkrebs zielen darauf ab, die Mortalität an Brustkrebs zu reduzieren. Für ein Qualitätsmonitoring von MSP ist es hilfreich, individuelle und kontextuelle Determinanten der MSP-Teilnahme zu kennen. Diese können im Kontext regionaler Unterschiede in der MSP-Teilnahme identifiziert werden. Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bieten eine potenzielle Datenquelle für entsprechende Analysen. Ein besonderer Vorteil von GKV-Routinedaten besteht darin, dass sie auf individueller Ebene Informationen sowohl für MSP-Teilnehmerinnen als auch für Nichtteilnehmerinnen enthalten. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sich die individuellen Daten mit externen Strukturdaten auf Kreisebene anreichern lassen. Inwiefern GKV-Routinedaten für die Beschreibung und Erklärung regionaler Unterschiede in der Teilnahme am deutschen MSP geeignet sind, wurde bislang jedoch nicht untersucht.

Fragestellung: Erstmals wurde systematisch und anhand eines Vergleichs mit Ergebnissen eines externen Goldstandards untersucht, inwiefern sich GKV-Routinedaten für die Beschreibung und Erklärung regionaler Unterschiede in der Teilnahme am deutschen MSP unter Einbeziehung externer Strukturdaten eignen.

Methode: Die Datengrundlage bildeten GKV-Routinedaten der BARMER mit 147.325 MSP-Teilnahmen in Niedersachsen und Daten der acht Screening-Einheiten (SE) in Niedersachsen mit 1.181.212 MSP-Teilnahmen im Zeitraum 2011 bis 2014. Für die Beschreibung regionaler Unterschiede in der MSP-Teilnahme wurden auf Ebene der 46 Kreise in Niedersachsen standardisierte Teilnahmeverhältnisse (Standardized Participation Ratios; SPR) in 2011 bis 2014 sowohl mit GKV-Daten als auch mit SE-Daten ermittelt. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Datenquellen wurden in einer Bland-Altman Analyse auf ihre Übereinstimmung überprüft. Für die Erklärung regionaler Unterschiede wurde eine auf GKV-Daten von 96.273 in Niedersachsen wohnhaften Frauen im zur MSP-Teilnahme berechtigenden Alter basierende Mehrebenenanalyse durchgeführt. Die MSP-Teilnahme im Zeitraum 2011 bis 2014 wurde als abhängige Variable definiert. Als erklärende Variablen wurden auf individueller Ebene Alter und die 31 Elixhauser-Erkrankungen berücksichtigt. Auf Kreisebene wurden Strukturdaten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zu Arbeitslosigkeit, mittlerem Haushaltseinkommen, Anteilen Beschäftigter ohne Berufsabschluss bzw. mit akademischer Qualifikation, Ausländeranteil und siedlungsstrukturellem Kreistyp verwendet.

Ergebnisse: Die SPR variierten zwischen 0,80 und 1,24 (GKV-Daten) bzw. 0,79 und 1,22 (SE-Daten). Statistisch signifikante regionale Unterschiede in der MSP-Teilnahme wurden für 27 Kreise (GKV-Daten) bzw. 39 Kreise (SE-Daten) identifiziert. Die mittlere Abweichung zwischen GKV und SE-Daten betrug -0,02 mit 95% Übereinstimmungsintervallgrenzen von -0,12 und 0,08. In der auf GKV-Daten basierenden Mehrebenenanalyse wurde das Vorhandensein von regionalen Unterschieden in der MSP-Teilnahme bestätigt. Obwohl 10 Erkrankungen negativ und 11 Erkrankungen positiv mit einer MSP-Teilnahme assoziiert waren, trugen diese, genau wie Alter, nicht zur Erklärung regionaler Unterschiede bei. Auf kontextueller Ebene war eine höhere Arbeitslosigkeit negativ und ein höherer Anteil an akademisch qualifizierten Beschäftigten positiv mit einer MSP-Teilnahme assoziiert. Insgesamt erklärten die kontextuellen Variablen zu Arbeitslosigkeit, Haushaltseinkommen, beruflicher und akademischer Qualifikation, Ausländeranteil und siedlungsstrukturellem Kreistyp 58,5% der regionalen Unterschiede in der MSP-Teilnahme.

Diskussion: Regionale Unterschiede in der MSP-Teilnahme lassen sich mit GKV-Routinedaten repräsentativ abbilden. Unter Einbeziehung externer Strukturdaten lässt sich mehr als die Hälfte der regionalen Unterschiede in der MSP-Teilnahme erklären. Inwiefern auch der individuelle sozioökonomische Status, Lebensstilfaktoren, psychologische Faktoren und die Lebensqualität mit einer MSP-Teilnahme assoziiert sind, sollte zukünftig untersucht werden. Da diese Informationen in Routinedaten der GKV jedoch größtenteils nicht enthalten sind, müssten diese separat erhoben und mit den GKV-Daten auf individueller Ebene verknüpft werden.

Praktische Implikationen: GKV-Routinedaten eignen sich zur Beschreibung und Erklärung regionaler Unterschiede in der Teilnahme am deutschen MSP. Um das vorhandene Potenzial von GKV-Daten für die Erklärung regionaler Unterschiede in der MSP-Teilnahme vollständig auszuschöpfen, sind jedoch weitere Daten auf individueller Ebene erforderlich.