Article
Evaluation von Modellvorhaben für sektorenübergreifende Versorgung psychisch kranker Menschen nach §64b SGB V (EVA64) – erste Ergebnisse über 3-jähriges Follow-up
Search Medline for
Authors
Published: | October 2, 2019 |
---|
Outline
Text
Hintergrund: Fehlende Schnittstellen sowie die zersplitterte Finanzierung sind ein grundlegendes Problem in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland. Der §64b SGB V bietet die Möglichkeit einer Weiterentwicklung bestehender, auf sektorenübergreifende, patientenzentrierte Versorgung ausgerichteter Modelle. Gemeinsames Merkmal aller Modellprojekte ist dabei die Bildung eines Gesamtbudgets aus stationärem Krankenhausbudget und den Erlösen der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA). Das Krankenhaus ist in der Wahl der Behandlungsform grundsätzlich frei und kann die Behandlung an den Bedürfnissen des Patienten ausrichten. §65 SGB V verpflichtet zur Evaluation dieser Modelle.
Fragestellung: Ziel dieser Evaluation ist die Messung von Effektivität, Kosten und Effizienz von Modellvorhaben nach §64b SGB V zur Verbesserung der Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen.
Methoden: In einer sekundärdatenbasierten kontrollierten Kohortenstudie werden 18 von insgesamt 21 Modellvorhaben nach §64b SGB V evaluiert. Die Evaluation startete 2015 und ist auf 10 Jahre ausgelegt. Als Datengrundlage der Analysen werden Angaben von insgesamt über 70 gesetzlichen Krankenkassen zur ambulanten und (teil-) stationären Versorgung (inkl. PIA), zur Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln sowie zu Arbeitsunfähigkeit herangezogen. Geeignete Kontrollkliniken wurden anhand von Daten der Strukturierten Qualitätsberichte gemäß §137 SGB V und Indikatoren des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung (INKAR-Daten) mittels a priori definierter Kriterien ausgewählt. Der Evaluationszeitraum umfasst die ersten vier Jahre jedes Modellvorhabens und ein weiteres Jahr des Follow-up sowie patientenindividuell zwei Jahre vor der ersten Behandlung in einer Modell- oder Kontrollklinik als Prä-Zeitraum. Die Ergebnisse werden nach klinikneuen und klinikbekannten Patienten getrennt ausgewertet und berichtet. Es wird berücksichtigt, dass ein Teil der Modellvorhaben bereits vor Modellstart modellähnliche Strukturen aufwies. Jedes Modellvorhaben erhält zwei Zwischenberichte und einen Abschlussbericht. Während bei den Ersten Zwischenberichten nur Daten für ein Jahr ab Modellstart zur Verfügung stehen, werden für die Zweiten Zwischenberichte drei Jahre ab Modellstart und für die Abschlussberichte vier Jahre nach Modellstart ausgewertet. Weiterhin werden modellübergreifende Berichte erstellt. Beim DKVF 2019 werden die ersten Ergebnisse bezüglich der primären Outcomeparameter stationäre Aufenthalte und Arbeitsunfähigkeit mit einem 3-jährigem Follow-up vorgestellt. Neben deskriptiven Analysen werden Ergebnisse der Difference-in-Difference Modellierungen dargestellt.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse mit einem 3-jährigem Follow-up weisen darauf hin, dass die Dauer vollstationärer Tage bei klinikneuen Patienten im ersten patientenindividuellen Jahr in den Modellkliniken weniger stark ansteigt im Vergleich zu den Kontrollgruppen und danach auf ein ungefähr gleiches Niveau im Vergleich zu den Kontrollkliniken absinkt. Bei den klinikbekannten Patienten ist die Dauer vollstationärer Tage in den Modellkliniken in allen drei Jahren meist niedriger als in den Kontrollgruppen, teilweise war dieser Unterschied bereits im Prä-Zeitraum existent, also in der Zeit vor Einschluss in die Evaluation. Bei den teilstationären Aufenthalten ist ein ähnliches Muster mit starkem Anstieg im ersten Jahr und Angleichung in den folgenden Jahren bei den klinikneuen Patienten ersichtlich, jedoch ist dieser Anstieg in den Modellkliniken geringer als in den Kontrollkliniken. Bei der Arbeitsunfähigkeit lässt sich eine Tendenz hin zu einer Verringerung der kumulierten Arbeitsunfähigkeitsdauer in den Modellkliniken im Vergleich zu den Kontrollgruppen erkennen, sowohl bei den klinikneuen als auch bei den klinikbekannten Patienten.
Diskussion: Diese ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Modelleffekte besonders im ersten Jahr nach erster Behandlung im Modellkrankenhaus bei den klinikneuen Patienten wirken. Weiterhin sind mutmaßlich Effekte von vor Modellstart bestandenen modellähnlichen Vorverträgen ersichtlich. Hier werden zunächst erste Ergebnisse von einem Teil der zu evaluierenden Modellvorhaben vorgestellt. Erst die Evaluation aller 18 Modellprojekte erlaubt eine bessere Beurteilung der Auswirkungen der Modellvorhaben. Weiterhin erlaubt der Einschluss eines weiteren Jahres in den Abschlussberichten einen Einblick über den weiteren Verlauf.
Praktische Implikationen: Das Projekt EVA64 untersucht bundesweit die Effizienz, Kosten und Effektivität von Modellprojekten zur optimierten Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen. Sollten sich die Modellprojekte als effektiv und effizient gegenüber der Regelversorgung herausstellen, könnte diese Evaluation Argumente für die Neustrukturierung der Regelversorgung liefern. Die Ergebnisse dieser Evaluation werden regelmäßig dem Bundesministerium für Gesundheit vorgestellt.