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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Patientensicherheit in der Ambulanten Versorgung – Häufigkeit, Verteilung und Determinanten patientensicherheitsrelevanter Ereignisse

Meeting Abstract

  • Svenja Krause - Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Germany
  • Michael Schneider - Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Institut für Versorgungsforschung und klinische Epidemiologie, Marburg, Germany
  • Werner de Cruppé - Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Germany
  • Annette Ortwein - Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Germany
  • Johannes Leinert - infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Sozialforschung, Bonn, Germany
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf131

doi: 10.3205/19dkvf131, urn:nbn:de:0183-19dkvf1312

Published: October 2, 2019
Published with erratum: November 4, 2019

© 2019 Krause et al.
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Text

Hintergrund: Während im stationären Sektor die Epidemiologie patientensicherheitsrelevan-ter Ereignisse (PSI) zumindest näherungsweise bekannt ist, liegen aus dem ambulanten Sektor keine repräsentativen Ergebnisse zu PSI vor. Das vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte Projekt (F-KZ: 01VSF16015) zielt daher auf die epidemiologische Analyse von PSI in der ambulanten Versorgung.

Fragestellung: Die Studie erhebt Daten zur Häufigkeit von (PSI), zu den betroffenen Fachrichtungen und zum Rückmeldeverhalten Betroffener. Weiterhin wird untersucht, ob Faktoren wie das Alter, Geschlecht oder Grunderkrankungen das Auftreten von PSI begünstigen.

Methode: Anhand des Befragungsinstruments ‚PSI-AMB‘, das für die Studie auf der Basis einer Literaturrecherche und qualitativer Interviews mit Ärzten (n=10) und Patienten (n=20) entwickelt und mittels kognitiver (n=20) und quantitativer (n=100) Pretests optimiert wurde, wurden zwischen Mai und Oktober 2018 insgesamt 10.037 zufällig rekrutierte Personen >39 Jahre bundesweit mittels Computer-unterstützte-Telefoninterviews befragt. Auf der Basis der Angaben zu den im letzten Jahr sowie seit dem 40. Lebensjahr insgesamt erlebten PSI im ambulanten Sektor wurden PSI-Inzidenzen für die Gesamt- und Subgruppen geschätzt und die zugehörigen 95%-Konfidenzintervalle berechnet. Berichtet werden zunächst die deskriptiven Ergebnisse. Unterschiede zwischen den Alters- und Fachgruppen sowie PSI-Arten, Determinanten der PSI sowie des Rückmeldeverhaltens werden in der Folge konfirmatorisch abgesichert.

Ergebnisse: Aus der Stichprobe haben 1.561 (15,6%) Personen insgesamt 2.553 PSI (1,6 PSI pro Betroffenem) aus den vergangenen 12 Monaten berichtet. Die berichteten PSI verteilen sich auf die Bereiche der ärztlichen Behandlung wie folgt: ärztliche Untersuchung (61,8%); Medikamente (15,6%); Praxisorganisation & Patientenverwaltung (10%); Impfung, Spritze, Infusion (4,2%); Nachsorge (2,6%); ambulante Operation (2,4%) und sonstiger Bereich (3,3%). 43,1% der berichteten PSI sind bei einem Hausarzt; 52,2% bei einem anderen Facharzt passiert. In 3,1% der berichteten PSI waren sowohl ein Haus- als auch Facharzt beteiligt. 76,4% der berichteten PSI hatten „schädliche Folgen“ für die Gesundheit der Befragten. Die drei häufigsten genannten Schadensarten sind „zeitlicher Schaden“ (59,3%); „Verschlechterung des Gesundheitszustandes“ (46,6%) und „unnötig lang anhaltende Schmerzen“ (47,7%). 14,8% der berichteten Schäden bewerteten die Betroffenen als „sehr schwer“; 35,4% der Schäden sind von dauerhafter Natur. 46,1% der berichteten PSI wurden an den behandelnden Arzt oder einem anderen Haus- oder Facharzt (37%) zurückgemeldet. 38,9% der berichteten PSI haben dazu geführt, dass die befragten Personen ihr Vertrauen in den Arzt verloren, sich beim behandelnden Arzt beschwert (33,1%) oder den Arzt gewechselt (26%) haben.

608 Personen (6,1%) aus der Stichprobe haben seit ihrem 40. Geburtsjahr mindestens einen „Fehler mit schädlichen Folgen“ für ihre Gesundheit erlebt. Dabei berichteten 308 Personen (50,8%) einen „schweren“ und 193 Personen (31,8%) einen „sehr schweren“ Schaden. 311 Personen (51,2%) berichteten, dass der Schaden dauerhafter Natur ist. Insgesamt wurden 750 Fehler mit schädlichen Folgen berichtet, die u. a. einen „zeitlichen Schaden“ (65,7%), „unnötig lang anhaltenden Schmerzen“ (50,9%); einen „seelischen / sozialen Schaden“ (44,5%) oder eine „nicht oder zu spät erkannte Krankheit“ (37,5%) zur Folge hatten. 56,4% der Fehler mit schädlichen Folgen sind im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung aufgetreten; 20,7% im Rahmen von Medikamenten und 17,7% im Rahmen einer ambulanten Operation. In 24,1% der berichteten Schäden war ein Hausarzt; in 71,2% ein anderer Facharzt und in 4,4% sowohl ein Haus- als auch ein anderer Facharzt beteiligt.

Diskussion: Die von den Befragten berichteten Ereignisse und deren Folgen zeigen, dass auch in der ambulanten Versorgung mit PSI zu rechnen ist, die schwerwiegende Schäden nach sich ziehen können. Die Erkenntnisse der Studie sollten genutzt werden, Versorgungssituationen und Patientengruppen mit besonderem Gefährdungspotenzial zu erkennen. Hierdurch könnten Maßnahmen gezielt etabliert werden, um die Patientensicherheit und Qualität der ambulanten Versorgung zu verbessern.


Erratum

Ein Autor wurde ergänzt.