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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Identifikation von (gemeinsamen) Prädiktoren für Patientensicherheitskultur und Arbeitssicherheitskultur im Krankenhaus – Ergebnisse der WorkSafeMed-Studie

Meeting Abstract

  • Anke Wagner - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Antje Hammer - Universitätsklinikum Bonn, Institut für Patientensicherheit, Bonn, Germany
  • Tanja Manser - Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, Olten, Switzerland
  • Peter Martus - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Tübingen, Germany
  • Heidrun Sturm - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Monika A. Rieger - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf127

doi: 10.3205/19dkvf127, urn:nbn:de:0183-19dkvf1272

Published: October 2, 2019

© 2019 Wagner et al.
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Text

Hintergrund: Eine umfassende Sicherheitskultur schließt sowohl die Patientensicherheit als auch die Arbeitssicherheit der Beschäftigten mit ein. Bisherige Studien zeigen Zusammenhänge und Einflüsse von psychosozialen Arbeitsbedingungen auf Patientensicherheitskultur und Arbeitssicherheitskultur. Allerdings gibt es kaum Studien, die Einflussgrößen (Prädiktoren) für beide Arten von Sicherheitskultur identifizieren. Die Identifikation von Prädiktoren für beide Arten von Sicherheitskultur ist wichtig, um Maßnahmen für ein übergreifendes Konzept zu entwickeln.

Fragestellung: Vor diesem Hintergrund wurde folgende Fragestellung untersucht: Welche Prädiktoren (aus den Bereichen der psychosozialen Arbeitsplatzbedingungen, Patientensicherheit und Arbeitssicherheit) haben nach Ansicht von Pflegekräften und Ärzten einen Einfluss auf die wahrgenommene Patientensicherheitskultur und Arbeitssicherheitskultur? Und: gibt es für beide Arten von Sicherheitskultur gemeinsame Prädiktoren?

Methode: Im Rahmen der Querschnittstudie WorkSafeMed (Working conditions, safety culture and patient safety in hospitals: what predicts the safety of the medication process?) wurde an zwei Universitätskliniken im Frühjahr und Sommer 2015 eine standardisierte Befragung des ärztlichen und pflegerischen Personals durchgeführt. Der eingesetzte Fragebogen beinhaltete COPSOQ-Skalen zu psychosozialen Arbeitsbelastungen/-beanspruchungen, eine CBI-Kurzskala zum patientenbezogenen Burnout, HSPSC-Skalen zu Patientensicherheit und Patientensicherheitskultur, TLI-Skalen zur transformationalen Führung sowie Items und Indices zur Arbeitssicherheit und Arbeitssicherheitskultur. Die Datenauswertung beinhaltete deskriptive Verfahren, Korrelationsanalysen und multiple Regressionsanalysen. Um Prädiktoren zu identifizieren und deren Einfluss zu messen, entwickelten wir jeweils ein Regressionsmodell für Patientensicherheitskultur (PSK-Modell) und ein Regressionsmodell für Arbeitssicherheitskultur (ASK-Modell). Für das PSK-Modell wurde als abhängige Variable auf Basis der vier Outcome-Dimensionen des HSPSC ein Patientensicherheitsfaktor gebildet, der die wahrgenommene Patientensicherheitskultur messen soll. Für das ASK-Modell wurde als abhängige Variable der Index Einschätzung der eigenen Gefährdung gewählt, der als geeigneter Indikator für die wahrgenommene Arbeitssicherheitskultur angesehen wurde.

Ergebnisse: Der Gesamtrücklauf der Fragebögen lag bei 39,6% (n=995). Es beteiligten sich 567 Pflegekräfte, 381 Ärzte sowie 47 Personen sonstiger Berufsgruppen.

Korrelationsanalysen mit dem Patientensicherheitsfaktor zeigten sowohl negative (z.B. Burnout: r=-0.30, p=0.000) als auch positive Zusammenhänge (z.B. Unterstützung der Krankenhausleitung: r=0.66, p=0.000; Organisationales Lernen: r=0.60, p=0.000). Im multiplen Regressionsmodell für Patientensicherheitskultur wurden folgende Prädiktoren identifiziert: Unterstützung der Krankenhausleitung (β=0.24, p≤0.001), personelle Ausstattung (β=0.21, p≤0.001), Unterstützung des direkten Vorgesetzen (β=0.18, p≤0.001), Organisationales Lernen (β=0.14, p≤0.001), Rückmeldung zu Fehlern (β=0.14, p≤0.001), Einfluss auf Patientensicherheit seitens Mitarbeiter (β=0.13, p≤0.001), Übergaben und Verlegung (β=0.12, p≤0.001), patientensicherheitsbezogenes Verhalten der direkten Vorgesetzten (β=-0.08, p≤0.01) und Arbeitszufriedenheit (β=0.06, p≤0.05) Das PSK-Modell erreichte eine Modellgüte von R2=0.64.

Korrelationsanalysen mit dem Indikator für wahrgenommene Arbeitssicherheitskultur lieferten ebenfalls negative (z.B. patientenbezogenes Burnout: r=-0.35, p=0.000) und positive Zusammenhänge (z.B. Arbeitszufriedenheit: r=0.40, p=0.000; transformationale Führung: r=0.21, p=0.000). Im multiplen Regressionsmodell für Arbeitssicherheitskultur stellten folgende Variablen wesentliche Prädiktoren dar: Arbeitszufriedenheit (β=0.26, p≤0.001), Work-Privacy-Conflict (β=-0.19, p≤0.001), patientenbezogenes Burnout (β=-0.20, p≤0.001) und Einfluss auf Arbeitsschutz seitens des Mitarbeiters (β=0.08, p≤0.01) dar. Das ASK-Modell erreichte eine Modellgüte von R2=0.27.

Als gemeinsame Prädiktoren für beide Modelle wurden Arbeitszufriedenheit und übergeordnet Führung identifiziert. Weitere gemeinsame Prädiktoren wurden nicht gefunden.

Diskussion und praktische Implikationen: In unserer Studie identifizierten wir Prädiktoren für wahrgenommene Patientensicherheits-kultur und Arbeitssicherheitskultur. Bisherige Forschungsarbeiten bestätigen die Relevanz der identifizierten Prädiktoren. Das ASK-Modell erreichte insgesamt nur eine mäßige Modellgüte, relevante Prädiktoren scheinen im Modell zu fehlen.

Arbeitszufriedenheit und Führung scheinen wesentliche Prädiktoren für Patientensicherheits- und Arbeitssicherheitskultur zu sein. Daher sollten diese bei einer weiteren Entwicklung von Maßnahmen für eine übergreifende Sicherheitskultur mit bedacht werden.

Förderung: Die Studie WorkSafeMed wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (FKZ 01GY1325A).