gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Feldforschung in der Hausarztpraxis im Kontext telemedizinischer Entwicklungsprojekte: schnell, einfach – und zielführend?

Meeting Abstract

  • Lars Wiezorreck - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Germany
  • Aline Kunz - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Germany
  • Annika Baldauf - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Germany
  • Frank Aluttis - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Germany
  • Michel Wensing - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Germany
  • Joachim Szecsenyi - Universitätsklinikum Heidelberg, Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf015

doi: 10.3205/19dkvf015, urn:nbn:de:0183-19dkvf0151

Published: October 2, 2019

© 2019 Wiezorreck et al.
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Text

Hintergrund: Im Rahmen des Projekts „TelePraCMan“ wird ein digitales Symptomtagebuch in Form einer App für das Smartphone entwickelt. Diese App soll multimorbiden Patienten die Möglichkeit bieten regelmäßig Tagebuch zu führen und die erhobenen Daten der Hausarztpraxis zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise soll das Selbstmanagement der Patienten gestärkt und die Kommunikation mit dem Praxisteam vereinfacht werden.

Für die Entwicklung soll die Nutzerperspektive eingebracht werden. Daten zur Nutzung von mHealth-Interventionen bzw. gesundheitsbezogenen Apps durch ältere Menschen sind im deutschsprachigen Raum nur begrenzt vorhanden. Die Samples zeichnen sich zusätzlich durch eine überdurchschnittlich hohe Bildung und eine relativ hohe Technikaffinität aus. Ob dies den Großteil der Patienten – und vor allem multimorbide Patienten – widerspiegelt, darf bezweifelt werden. Hier setzt die Idee der Feldforschung an: Um der Heterogenität von Patienten gerecht zu werden und Patientengruppen zu erreichen, die normalerweise nicht in Studien oder Interventionen einbezogen sind, sollen Feldforschungstage in mehreren Hausarztpraxen durchgeführt werden. Es soll so ermöglicht werden, die Erwartungen und Bedürfnisse der (potenziellen) Nutzer zielgenauer in die Entwicklung der App einfließen zu lassen.

Frühe Phasen der Entwicklung von mHealth-Produkten greifen oftmals alleinig auf Fokusgruppen mit Vertretern der erwarteten Zielgruppe zurück, um die Sichtweisen, Bedürfnisse und Erwartung auf und an die Funktionen und das Design zu erfassen. Entsprechend aufwendig ist die Auswertung der gewonnenen Daten. Das von uns angedachte Vorgehen soll einen einfachen, schnellen und niedrigschwelligen Zugang zu für die Entwicklung verwertbaren Ergebnissen innerhalb eines für die Probanden „natürlichen“ Umfeldes ermöglichen.

Fragestellung: Es stellt sich daher die Frage, ob die von uns geplante Feldforschung ein geeignetes Mittel für die benutzerorientierte Entwicklung von telemedizinischen Anwendungen ist.

Methoden: Rekrutierung: Es sollen drei Hausarztpraxen für jeweils einen Tag als Forschungsfeld rekrutiert werden. Als potenzielle Probanden gelten alle Personen, die in die Praxis eintreten. Damit wird nicht nur die Zielgruppe der multimorbiden Patienten einbezogen, sondern auch mögliche Angehörige oder Bekannte von Patienten.

Datenerhebung: Es erfolgt eine quantitative und qualitative Erhebung. Neben anonymen Fragebögen zur allgemeinen Technikaffinität und Smartphone-Nutzung werden zusätzlich kurze – ebenfalls anonyme – Interviews zu Erwartungen, Wahrnehmungen und Bewertungen zu „TelePraCMan“ anhand von Mock-ups, Storyboards oder erster Prototypen geführt. Die Fragebögen werden an alle in der Praxis befindlichen und eintretenden Patienten verteilt. Die Interviews werden mit Personen geführt, die sich hierfür freiwillig zur Verfügung stellen. Neben den Aussagen bei den Interviews werden ggf. die Handhabung des Prototyps durch den Befragten sowie seine Reaktionen protokolliert. Die Erhebung erfolgt mittels durch zwei Forscher parallel durchgeführter Protokollierungen, um eine Validität und Sättigung der Daten zu ermöglichen.

Datenauswertung: Die Daten aus den Befragungen werden nach Mayring inhaltsanalytisch mithilfe des Programms MAXQDA ausgewertet und mit den durch die Statistik-Software SPSS deskriptiv ausgewerteten Ergebnissen der Fragebögen in Verbindung gesetzt. Hierdurch soll ein Vergleich der allgemeinen Technikaffinität und Smartphone-Nutzung mit den Ergebnissen aus den Interviews ermöglicht werden.

Ergebnisse: Der Zeitpunkt der Datenerhebung befindet sich zwischen März und Mai 2019. Entsprechend sind zum Zeitpunkt der Einreichung des Abstracts noch keine empirischen Daten vorhanden. Auf dem Versorgungsforschungskongress werden erste Auswertungen präsentiert. Ziel soll es sein, darzulegen, wie erfolgreich die Feldforschung war und ob diese für technische Entwicklungsprozesse dienlich ist.

Diskussion: Feldforschungen finden eine wachsende Anwendung im Bereich der technischen Entwicklung, um die Bedienbarkeit und Akzeptanz der Gerätschaften im „natürlichen“ Setting zu ermitteln. In der Telemedizin – und speziell im Bereich mHealth – stellt dies jedoch noch eine Seltenheit dar. Ob sie gegenüber anderen methodischen Vorgehensweisen bei Zugang, Auswertung und Repräsentativität einen Vorteil bietet, wird sich zeigen.

Praktische Implikationen: Mit dem dargelegten Vorgehen sollen Personen erreicht werden, die in Studien zu mHealth-Interventionen unterrepräsentiert sind sowie eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Gewinnung von für die Entwicklung verwertbaren Ergebnissen bieten. Im Rahmen des Kongresses soll das gewählte methodische Vorgehen vorgestellt und Erfahrungswerte sowie Nutzen diskutiert werden.