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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Zahnmedizinische Behandlung von Menschen mit Behinderung, Menschen mit Demenz und Menschen mit psycho-sozialen Störungen unter Intubationsnarkose

Meeting Abstract

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  • Julia Kunze - Universität Zürich, Zentrum für Zahnmedizin, Klinik für Allgemein-, Behinderten- und Seniorenzahnmedizin, Zürich, Switzerland
  • Ina Nitschke - Universität Zürich, Zentrum für Zahnmedizin, Klinik für Allgemein-, Behinderten- und Seniorenzahnmedizin, Zürich, Switzerland

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf409

doi: 10.3205/18dkvf409, urn:nbn:de:0183-18dkvf4095

Published: October 12, 2018

© 2018 Kunze et al.
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Hintergrund: Die zahnmedizinische Behandlung von vulnerablen Patientengruppen wie Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Demenz und Menschen mit psycho-sozialen Störungen gehört aufgrund eingeschränkter und nicht vorhandener Kooperation zu den grössten Herausforderungen für den Zahnarzt und sein Team. Häufig sind schon die Diagnostik und eine vollständige Befunderhebung der oralen Situation nur erschwert oder gar nicht möglich. Eine zahnmedizinische Therapie am zahnärztlichen Behandlungsstuhl ist auch trotz einer fachlichen Spezialisierung des Zahnarztes und seines Teams aufgrund mangelnder Mitwirkung der Patienten in den meisten Fällen nicht umsetzbar. Um diesen Patientengruppen eine qualitativ gute und sichere sowie hinsichtlich psychischer und körperlicher Belastung vertretbare zahnmedizinische Behandlung ermöglichen zu können, ist es daher zum Teil notwendig, auf eine Intubationsnarkose (ITN) zurückzugreifen.

Fragestellung: Wie oft wird die Kooperation zwischen den Menschen mit speziellen Bedarfen, deren Angehörigen, den Zahnärzten und den Anästhesisten für eine zahnmedizinische Behandlung in Intubationsnarkose (ITN) in einer hochspezialisierten zahnärztlichen Klinik benötigt?

Methode: Mittels retrospektiver Analyse von zahnärztlichen Patientenakten konnten über einen Zeitraum von 10 Jahren Daten zur Thematik Intubationsnarkose (Patientenselektion (ITN notwendig oder nicht), Indikationsstellung, Diagnostik, Therapie und jährlicher Nachsorge) zur zahnmedizinischen Behandlung bei vulnerablen Patientengruppen generiert werden. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS Version 23.

Ergebnisse: Insgesamt konnten 469 Menschen, die eine Behinderung (angeboren oder erworben) haben, an Demenz erkrankt sind und/oder an einer psycho-sozialen Störungen leiden in die Auswertung einbezogen werden. Der Beobachtungszeitraum lag zwischen 2008 und 2017. In den meisten Fällen waren eine reduzierte Diagnostik und/oder der Verdacht auf das Vorhandensein von Schmerzen die Indikation für eine zahnmedizinische Behandlung unter Narkose. Hier ist eine Kooperation zwischen den Patienten, den betreuenden Berufen (z.B. Sozialarbeiter, Pflege, Ärzte) und den Angehörigen notwendig.

Die durchgeführten Therapien waren breitgefächert und betrafen nahezu alle Disziplinen der Zahnmedizin. Die Entwicklung des Kariesrisikos über die Zeit (Grundlage DMF/T-Index) sowie der zahnmedizinischen funktionellen Kapazität geben Auskunft über die Probandenklientel sowie über den zahnmedizinischen Behandlungsbedarf und Versorgungsgrad. In 90% der Fälle kann die Narkose ambulant erfolgen, einige Patienten benötigen eine ärztliche Nachbetreuung (stationäre Narkose) aufgrund ihrer multimorbiden Krankheitsbilder.

Diskussion: Die betreuenden Berufsgruppen und die Angehörigen sollten geschult sein, zahnmedizinische Probleme bei den Anvertrauten wahrnehmen zu können und dann eine Versorgung zu organisieren. Eine zuverlässige Kooperation zwischen den Betreuern, den Zahnärzten und Anästhesisten mit einfachen und schnellen Wegen ist dann gefordert. Diese Wege sollten auch die Frage berücksichtigen, ob eine jährliche Kontrolluntersuchung nach ITN zur Aufrechterhaltung der Mundgesundheit und Verhinderung von zahnärztlichen Notfällen ausreichend erscheint. Individuell sollten daher sowohl Nachsorgetermine als auch zusätzliche Termine, z. B. für Zahnreinigungen o.ä., mit den Betreuern diskutiert werden. Ein Kontrollintervall von 12 Monaten ist in jedem Fall nur bei einer sehr guten Kommunikation und Informationsvermittlung zwischen den für die (zahn-)medizinische Betreuung von vulnerablen Patienten verantwortlichen Personen zu erreichen.

Praktische Implikationen: Erfolgreich wird eine zahnmedizinische Betreuung nur sein, wenn alle Betreuenden zum Wohle der Patienten mit speziellen Bedarfen zusammenarbeiten. Das Konzept der zahnmedizinischen Behandlung unter ITN und nachfolgender jährlicher zahnmedizinischer Kontrolltermine (chair-side) hat sich in der spezialisierten Klinik bewährt. Auf diesem Wege können zahnmedizinische Notfälle bei Patienten, die schwer zu behandeln sind, reduziert werden. Grundlage ist jedoch interdisziplinäres Wissen, finanzielle Ressourcen und erfüllbare sozialversicherungstechnische Regelungen, die die Zusammenarbeit zwischen Zahnmedizinern, Anästhesisten, Pflege- bzw. Betreuungspersonal und Angehörigen ermöglichen.