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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Inanspruchnahme augenärztlicher Leistungen bei Versicherten mit Pflegebedarf: Analysen anhand von Routinedaten der AOK Baden-Württemberg

Meeting Abstract

  • Alexander K. Schuster - Universitätsmedizin Mainz, Augenklinik und Poliklinik, Mainz
  • Julia Pick - AOK Baden-Württemberg, Referat Versorgungsanalysen, Stuttgart
  • Frauke Saalmann - AOK Baden-Württemberg, Referat Versorgungsanalysen, Stuttgart
  • Norbert Pfeiffer - Universitätsmedizin Mainz, Augenklinik und Poliklinik, Mainz

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf405

doi: 10.3205/18dkvf405, urn:nbn:de:0183-18dkvf4055

Published: October 12, 2018

© 2018 Schuster et al.
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Text

Hintergrund: Sehbeeinträchtigende Augenerkrankungen nehmen mit dem Alter zu. Hierzu zählen insbesondere Erkrankungen wie Katarakt, altersassoziierte Makuladegeneration und Glaukom.

Fragestellung: Ziel dieser Studie ist eine Einschätzung der Inanspruchnahme augenärztlicher Gesundheitsleistungen bei Personen mit Pflegebedürftigkeit in Abhängigkeit von Pflegeform und Pflegestufe.

Methoden: Abrechnungsdaten der AOK Baden-Württemberg (AOK BW) des Jahres 2016 wurden für eine deskriptiven Sekundärdatenanalyse genutzt. Die Studienpopulation bildeten alle Versicherten, die am 01.01.2016 bei der AOK BW versichert waren. Die Kohorte der Versicherten im Alter von 60 Jahren oder älter (60+) wurde zur differenzierten Analyse herangezogen und nach Pflegestufe (0-3) und Pflegeform (ambulant versorgte Pflegebedürftige und Pflegeheimbewohnern*innen) stratifiziert. Die Unterteilung nach Pflegeform erfolgte über die Art der in Anspruch genommenen Leistungen: Versicherte, die am 01.01.2016 Leistungen der vollstationären Pflege oder der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen erhalten haben, wurden als Pflegeheimbewohnern*innen definiert. Die Versicherten, die nicht-vollstationäre Leistungen (z.B. ambulante Pflegesachleistungen, Pflegegeld, aber auch teilstationäre Pflegeleistungen) erhalten haben, wurden entsprechend als ambulant versorgte Pflegebedürftige definiert. Die Inanspruchnahme eines niedergelassenen Augenarztes oder Augenärztin wurde über die Abrechnung einer augenärztlichen Leistungserbringung definiert. Alters- und Geschlechtsstandardisierung wurde anhand der europäischen Standardbevölkerung von 1976 durchgeführt.

Ergebnisse: Während 39,3 % der Versicherten im Alter von 60+ mindestens einen Augenarztkontakt in 2016 hatten, waren es bei den ambulant versorgten Pflegebedürftigen 33,0 % und bei Pflegeheimbewohnern*innen 19,3 %. Eine Inanspruchnahme augenärztlicher Leistungen war bei Nicht-Pflegebedürftigen sowie bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen altersabhängig. Die höchste Inanspruchnahmerate von 50,7 % (Nicht-Pflegebedürftige) respektive 38,1% (ambulant versorgte Pflegebedürftige) wurde im Alter von 75-79 Jahren erreicht. Bei Pflegeheimbewohnern*innen war die Inanspruchnahmerate unabhängig vom Alter gleichbleibend gering. Die Analysen zeigen außerdem einen deutlichen Einfluss des Schweregrades der Pflegebedürftigkeit, sowohl bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen als auch bei Pflegeheimbewohner*innen: je höher der Schweregrad desto geringer war die Inanspruchnahme (Pflegestufe 1 ambulant: 37,1 %/stationär: 25,6 %; Pflegestufe 2: 29,0 %/16,7 %; Pflegestufe 3: 15,0 %/7,5 %). Personen mit Pflegestufe 0 (31,5 %/ 21,3 %) bildeten hierbei eine Ausnahme, sie hatten eine niedrigere Inanspruchnahme als Personen mit Pflegestufe 1.

Diskussion: Die Analysen der Abrechnungsdaten der AOK BW zeigen einen deutlichen Einfluss der Pflegebedürftigkeit, der Pflegeform und des Schweregrades der Pflegebedürftigkeit auf die Inanspruchnahme ambulanter augenärztlicher Leitungen im höheren Alter. Es besteht ein inverser Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme und einem steigenden Schweregrad der Pflegebedürftigkeit, mit Ausnahme der Pflegestufe 0. Zudem zeigt sich, dass Pflegeheimbewohner*innen eine niedrigere Inanspruchnahme als ambulant versorgte Pflegebedürftige haben.

Praktische Implikation: Pflegebedürftigkeit ist ein bedeutender Faktor für das Aufsuchen eines niedergelassenen Augenarztes. Insbesondere Pflegeheimbewohner*innen zeigen eine sehr niedrige Inanspruchnahme, sodass für diese vulnerable Personengruppe neue Versorgungsmodelle zu erproben sind.