gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen bei psychischen Auffälligkeiten im Kindergartenalter

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Rieke Hoffer - Zentrum für Kinder- und Jugendforschung, Freiburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf397

doi: 10.3205/18dkvf397, urn:nbn:de:0183-18dkvf3973

Published: October 12, 2018

© 2018 Hoffer.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Trotz einer Prävalenz von psychischen Auffälligkeiten von 20-25 % bei Kindern von 3-6 Jahren bei hohem Risiko von Chronifizierung und negativen Langzeitfolgen erhalten nur 10-25% der betroffenen Kinder Behandlung. Forschungsarbeiten zu Kindern aller Altersgruppen weisen darauf hin, dass typische Barrieren vor der Inanspruchnahme u.a. die mangelnde Problemerkennung durch die Eltern, wahrgenommene mangelnde Verfügbarkeit von Unterstützungsmöglichkeiten sowie Angst vor Stigmatisierung der eigenen Kinder sein können. Offen bleibt, inwiefern sich die Barrieren im Kindergartenalter von denen anderer Altersgruppen unterscheiden. Ein großer Unterschied bei dieser Altersgruppe besteht darin, dass ein großer Anteil der Kinder einen Teil des Tages in Kindertageseinrichtungen betreut werden, und die pädagogischen Fachkräfte in diesen Einrichtungen theoretisch ebenfalls als Ansprechpartner für die Eltern bei Problemen zur Verfügung stehen und diese auf Auffälligkeiten hinweisen sollten. Welche Rolle diese Fachkräfte für den Prozess der Versorgung einnehmen, bleibt bisher ebenfalls unklar.

Fragestellungen:

  • Was sind Barrieren und förderliche Faktoren bei der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen bei psychischen Auffälligkeiten bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren?
  • Welche Rolle spielen Kindertageseinrichtungen bei der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen?

Methode: Es wurde im März 2018 eine systematische Literaturrecherche angelehnt an die PRISMA-Leitlinien in den Datenbanken Psychinfo, Psyndex, Medline, ERIC und Socindex durchgeführt.

Ergebnisse: Trotz geringer Anzahl an Studien (n=15), die sich explizit auf die Altersgruppe bezogen sowie heterogener Studiendesigns der inkludierten Studien zeigen sich im Rahmen der Literaturrecherche Barrieren bei der Inanspruchnahme, die sich auch bei Kindern anderer Altersgruppen finden. Insbesondere mangelnde Problemwahrnehmung der Eltern trotz hoher Auffälligkeitscores der Kinder sowie Angst vor negativen Labelingprozessen bei Inanspruchnahme von Unterstützung bildeten Barrieren für die Inansruchnahme. Als förderlich für die Inanspruchnahme zeigten sich für Kinder von drei bis sechs Jahren waren ein hoher Grad an Auffälligkeit des kindlichen Verhaltens, externalisierende Verhaltensauffälligkeiten sowie Erfahrungen der Eltern mit der Inanspruchnahme von Unterstützung bei eigenen psychischen Problemen.

Die Rolle von Kindertageseinrichtungen für die Inanspruchnahme wurde in den untersuchten Studien nicht systematisch mit untersucht.

Diskussion: Die untersuchten Studien ließen sich aufgrund von heterogenen Studiendesigns und schwer vergleichbaren Samples nur narrativ zusammenfassen. Zudem überrascht die geringe Anzahl an Studien, die sich explizit auf die untersuchte Altersgruppe bezieht. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit denen für Kinder älterer Altersgruppen, jedoch scheint bei Eltern von jüngeren Kindern die Angst vor negativen Labelingprozessen besonders ausgeprägt zu sein. Die gering ausgeprägte Wahrnehmung von laut Vergleichswerten auffälligen Verhaltensweisen als wenig problematisch stellt auch in diesem Alter eine wichtige Barriere dar. Hier könnte es der Kindergarten als weniger leistungsbezogenes Setting im Vergleich zu Schule ermöglichen, auch auffällige Verhaltensweisen als weniger problematisch einzuordnen und somit Handlungsbedarf zu negieren. Weitere Studien sind notwendig, die einerseits genauer die Faktoren untersuchen, die eine Inanspruchnahme von Unterstützung bei psychischen Auffälligkeiten in diesem Alter wahrscheinlicher machen. Zudem sollte die Rolle von Kindertageseinrichtungen bei diesem Prozess in den Blick genommen werden.

Praktische Implikationen: Eine Sensibilisierung von Eltern für auffällige, entwicklungsuntypische Verhaltensweisen z.B. im Rahmen von Elternabenden könnte die Problemerkennung erhöhen. Kindertageseinrichtungen könnten für die Erkennung von psychischen Problemen und deren Behandlung eine wichtige Funktion übernehmen, da sich die Eltern niederschweillige Angebote wünschen.