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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Gründe für auffällige Indikatorergebnisse bei der externen stationären Qualitätssicherung aus Sicht der Krankenhäuser – Mixed-Methods-Analyse zum Stellungnahmeverfahren des Strukturierten Dialogs

Meeting Abstract

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  • Sören Schulz - Universität Witten/Herdecke, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten
  • Werner de Cruppé - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf337

doi: 10.3205/18dkvf337, urn:nbn:de:0183-18dkvf3377

Published: October 12, 2018

© 2018 Schulz et al.
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Hintergrund: Im Rahmen der externen stationären Qualitätssicherung müssen alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser Daten zu bundeseinheitlich festgelegten Qualitätsindikatoren (QI) erheben und an die Landesgeschäftsstellen für Qualitätssicherung (LQS) bzw. das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz (IQTIG) weiterleiten. Wird eine Abweichung vom Referenzbereich eines QI festgestellt, gilt dieser als rechnerisch auffällig. Bei Auffälligkeiten wird die betroffene Einrichtung im Rahmen des Strukturierten Dialogs (SD) zur Stellungnahme aufgefordert, die von einer Expertengruppe beurteilt wird. Nur bei ca. 11% aller rechnerisch auffälligen QI-Ergebnisse wird im Prüfverfahren letztendlich eine qualitative Auffälligkeit attestiert. Mit Blick auf die zunehmende Bedeutung qualitätsabhängiger Versorgungssteuerung und den hohen Aufwand des SD gilt es, mehr über die Gründe für qualitative Auffälligkeiten und die betroffenen QI in Erfahrung zu bringen.

Fragestellungen: Wie begründen Krankenhäuser rechnerisch auffällige QI-Ergebnisse? Wie verteilen sich die qualitativen Auffälligkeiten auf die erhobenen QI?

Methodik: Ausgangsmaterial für die Analysen waren die von einer LQS bereitgestellten Stellungnahmen, die im Rahmen des SD 2012 von betroffenen Einrichtungen verfasst wurden. Von 837 Stellungnahmen wurde anhand acht qualitativer Kriterien mit Bezug zur Fragestellung (z.B. „Einstufung als qualitativ auffällig“, „Explizite Begründung für rechnerische Auffälligkeit“) eine Stichprobe von 587 Stellungnahmen zu 96 QI von 148 Einrichtungen mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring untersucht. Daraus wurde induktiv ein Kategoriensystem von Begründungen für Auffälligkeiten abgeleitet. Anschließend wurde die Häufigkeitsverteilung der Kategorien in Abhängigkeit vom Indikatortyp deskriptiv ausgewertet. Abschließend wurden die Daten der öffentlichen Berichterstattung zu den SD 2012 und 2015 genutzt, um die Verteilung der qualitativen Auffälligkeiten auf die einzelnen QI zu analysieren.

Ergebnisse: Das Kategoriensystem umfasste nach Abschluss der inhaltsanalytischen Arbeit 79 Kategorien, denen 1119 Textstellen (Codings) zugeordnet wurden. Aus inhaltlich naheliegenden Kategorien konnten sieben Hauptgründe für Auffälligkeiten mit der folgenden Häufigkeitsverteilung gebildet werden: Patient (385; 34,4%), Datengrundlage (330; 29,5%), Maßnahmen und Ergebnisse (179; 16%), Einrichtung/Krankenhaus (96; 8,6%), Messregeln und Instrument (55; 4,9%), Indikation (47; 4,2%) und Sonstige (27;2, 4%).

Zusammenhangsanalysen: Struktur- und Organisationsdefizite werden bei Prozess-QI gegenüber den anderen Indikatortypen (Sentinel Event-, Ergebnis- und Indikations-QI) deutlich häufiger als Grund für eine rechnerische Auffälligkeit genannt. Zum Beispiel kamen Begründungen wie „Personalmangel/Personalwechsel“ nur bei Prozess-QI zur Sprache. Bei Ergebnis- und Sentinel Event-QI, waren Kategorien aus dem Bereich „Patient“ führend, während bei Indikations-QI am häufigsten „Dokumentationsprobleme“ als Grund für qualitative Auffälligkeiten angeführt wurden.

Verteilung der Auffälligkeiten: Von den 218 QI mit Referenzbereich des LQS-Verfahrens 2012 wurden bei 45 QI 127 qualitative Auffälligkeiten festgestellt. Sechs QI vereinigten 49,6% aller qualitativen Auffälligkeiten in der Untersuchungsregion auf sich. Im Bundesdurchschnitt waren es 15 QI. Bei 50 QI wurde keine qualitative Auffälligkeit festgestellt. Im Erfassungsjahr 2015 wurde bei stark verändertem Indikatorset die Hälfte der qualitativen Auffälligkeiten bei 12 QI festgestellt. Der Anteil qualitativer an rechnerischen Auffälligkeiten betrug bei Prozess-QI 14%, bei Ergebnis-QI 10,1%, bei Sentinel Event-QI 8,3% und bei Indikations-QI 6,7%.

Diskussion und praktische Implikationen: Die Berichterstattung zum SD differenziert bei rechnerischen Auffälligkeiten bisher zwischen den Einstufungen „qualitativ unauffällig“, „qualitativ auffällig“, „fehlerhafter Dokumentation“, „Sonstiges“ und den entsprechenden Unterkategorien. Die vorgelegte Inhaltsanalyse ermöglicht nun eine deutlich detailliertere Beschreibung der Gründe für rechnerische Auffälligkeiten aus Perspektive der Anwender, die Ansatzpunkte zu Qualitätsverbesserungen bieten.

Sowohl 2012 als auch 2015 liegt der Anteil von qualitativen Auffälligkeiten bei Prozess-QI deutlich über dem der anderen Indikatortypen. Die verwendeten Prozess-QI scheinen daher besser zur Identifikation von Qualitätsproblemen geeignet zu sein als andere Indikatortypen.

Sowohl regional als auch bundesweit sind wenige QI für die Mehrzahl der qualitativen Auffälligkeiten verantwortlich. Bei den meisten QI werden nur sehr wenige oder keine Qualitätsprobleme erkannt. Unter Berücksichtigung des hohen Ressourcenaufwands für die Erfassung der QI und den SD könnten diese Erkenntnisse genutzt werden, um das Indikatorenset zu reduzieren.