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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Eine Nutzer-Typisierung hinsichtlich der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems auf Grundlage von qualitativen Interviews

Meeting Abstract

  • Katharina Achstetter - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Berlin
  • Miriam Blümel - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, BerlinHECOR, Berlin
  • Julia Köppen - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, BerlinHECOR, Berlin
  • Julia Röttger - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, BerlinHECOR, Berlin
  • Reinhard Busse - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, BerlinHECOR, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf311

doi: 10.3205/18dkvf311, urn:nbn:de:0183-18dkvf3116

Published: October 12, 2018

© 2018 Achstetter et al.
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Text

Hintergrund: Die Messung der Leistungsfähigkeit eines Gesundheitssystems (Health System Performance Assessment) ermöglicht es zu erfassen, in welchem Maße ein Gesundheitssystem vorab definierte Ziele erreicht, welche Stellung es im internationalen Vergleich einnimmt und in welchen Bereichen Optimierungspotential besteht. Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit gewinnt im Zuge steigender Nutzerorientierung neben der Einschätzung durch Experten die Perspektive der Bevölkerung an Relevanz. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Bewertung der Leistungsfähigkeit über bisher bekannte und üblicherweise genutzte soziodemografische Merkmale hinaus durch weitere Handlungsmuster und Einstellungen seitens der Nutzer des Gesundheitssystems beeinflusst wird. Um diese Merkmale identifizieren und charakterisieren sowie anschließend Nutzertypen bilden zu können, bietet sich eine explorative Vorgehensweise mittels eines qualitativen Studiendesigns an.

Fragestellung: Hinsichtlich welcher Merkmale, die über die Soziodemografie hinausgehen, unterscheiden sich Nutzer bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems und wie lassen sich aus diesen Merkmalen Idealtypen von Nutzern identifizieren und charakterisieren?

Methode: Die Datenerhebung erfolgt mittels halbstandardisierter problemzentrierter Einzelinterviews. Auf Basis eines gezielten Samplings werden möglichst heterogene Fälle hinsichtlich soziodemografischer Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf, Erwerbsfähigkeit, Art der Krankenversicherung und Wohnort) sowie des Inanspruchnahme-Verhaltens von gesundheitlicher Versorgung in den vergangenen zwölf Monaten ausgewählt. Der Feldzugang erfolgt über Aushänge in Arztpraxen und Apotheken, Online- und Zeitungsanzeigen sowie persönliche Kontakte. Die transkribierten Interviews werden von drei Wissenschaftlern mittels eines deduktiven Kodierschemas ausgewertet, welches in einem iterativen Prozess um induktive Elemente erweitert wird. In der anschließenden Typenbildung werden die Nutzermerkmale anhand theoretischer und empirischer Vergleichsdimensionen so gruppiert, dass eine größtmögliche interne Homogenität und externe Heterogenität entsteht.

Vorläufige Ergebnisse: Die Datenerhebung und Kodierung fand im Zeitraum von Februar bis September 2017 statt. Eine theoretische Sättigung erfolgte nach 27 Interviews. Die Teilnehmer aus Berlin und Brandenburg (n=11 männlich, n=16 weiblich) sind im Durchschnitt 47 Jahre alt (Spannweite 18-77). Die Anzahl der Arztkontakte der Teilnehmer variiert zwischen 0 und 40 Arztkontakten in den vergangenen 12 Monaten (MW=11; Median=8). Kernattribute, die mit der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems assoziiert sind, sind (1) persönliche Erfahrungen mit gesundheitlicher Versorgung, welche wiederum eng verknüpft sind mit (2) dem Vorliegen einer chronischen und schweren akuten Erkrankung. Auch (3) persönliche Netzwerke mit Personen aus Gesundheitsberufen sind maßgeblich mit der Bewertung verknüpft. Weitere Kernattribute konnten bereits identifiziert werden und fließen in die derzeit noch laufende Typisierung ein.

Diskussion: Die Identifizierung von Merkmalen, hinsichtlich welcher sich Nutzer unterscheiden, ermöglicht es, Unterschiede in der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems bei verschiedenen Nutzertypen aufzuzeigen. Darüber hinaus lassen sich anhand dieser neu identifizierten Merkmale bereits bekannten Merkmalsbereiche (z.B. Wohnort) ausweiten und weiterentwickeln. Ebenfalls können Auswirkungen der Merkmalsausprägungen auf die gesundheitliche Versorgung der Idealtypen in der Versorgungsrealität diskutiert werden.

Als Limitation muss die Auswahl der Stichprobe gesehen werden. Da ausschließlich Teilnehmer aus Berlin und Brandenburg rekrutiert wurden, muss diese regionale Einschränkung in der Diskussion und Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Ebenfalls kann die Teilnahme am Interview als eine Barriere an sich angesehen werden, welche wiederum zu einer Selektion verschiedener Nutzertypen führen kann. Dies wurde bei der Samplingstrategie und der Auswahl der Fälle bereits berücksichtigt, kann jedoch nicht komplett ausgeschlossen werden.

Praktische Implikationen: Auf Grundlage der identifizierten Merkmale und der noch folgenden Charakterisierung von Nutzer-Typen lassen sich in Folgestudien bzw. bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Unterschiede hervorheben und interpretieren. Des Weiteren können die Nutzertypen in späteren Untersuchungen genutzt werden, um ggf. vorhandene Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung aufzudecken und entsprechend zu intervenieren.