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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung – Kategorien ambulanter patientensicherheitsrelevanter Ereignisse

Meeting Abstract

  • Svenja Krause - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Werner de Cruppé - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Johannes Leinert - infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Versorgungsforschung und Gesundheitsforschung, Bonn
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf306

doi: 10.3205/18dkvf306, urn:nbn:de:0183-18dkvf3062

Published: October 12, 2018

© 2018 Krause et al.
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Text

Hintergrund: Herr G. kommt mit der ärztlichen Verordnung von Herrn M. in die Apotheke und erhält ein falsches Medikament. Bei Frau G. werden nicht die richtigen Laborparameter bestimmt, weshalb sie eine falsche Therapie erhält. Sind solche patientensicherheitsrelevanten Ereignisse (PSI) im ambulanten Versorgungssektor die Ausnahme oder eher häufig? Während im stationären Sektor zumindest Schätzungen zur Epidemiologie von PSI vorliegen, sind im ambulanten Sektor sowohl international als auch national kaum Angaben zur Häufigkeit und Verteilung von PSI zu finden. Zudem fehlt ein Erhebungsinstrument zur systematischen Erfassung von PSI im ambulanten Sektor.

Fragestellung: Das vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte Projekt (Förderkennzeichen 01VSF16015) zielt daher auf die Analyse der Epidemiologie von PSI im ambulanten Sektor. Geklärt werden soll, wie häufig welche PSI bei welchen Facharztgruppen auftreten, welche Folgen diese haben und ob Patienten erlebte PSI mit und ohne schädliche Folgen an ihre Behandler zurückmelden. Grundlage der Erhebung ist ein neu entwickeltes Befragungsinstrument, über dessen Entwicklung hier berichtet wird.

Methode: Potenzielle Kategorien für PSI sollten auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche sowie von Fokusgruppeninterviews mit Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten abgeleitet werden. Zur literaturbasierten Identifikation von PSI-Kategorien und --Arten wurden die Datenbanken Pubmed, Ovid, Cochrane, Web of Science, Livovo und Google Scholar genutzt. Der Suche lagen folgende Suchbegriffe zugrunde: „medical errors“; „patient safety incidents“; „harm“; „iatrogenic disease“; „failure“; „adverse events“; „preventable adverse events“; „near miss“; „diagnostic error“; „medication error“; „laboratory error“; „examination error“ „management error“; administering error“; „administration error“; „primary health care“; “family practice“; “ambulatory care”; “specialist practice” und “medical specialist”. Folgende Einschlusskriterien lagen zugrunde: a) es werden Fehlerkategorien und –arten genannt; b) es werden ausschließlich ambulante Versorgungseinrichtungen fokussiert. Ausgeschlossen wurden jene Artikel, die PSI-Phänomene im Krankenhaus, in der Pflege und der pädiatrischen Behandlung fokussierten oder eine eindeutige Trennung zwischen dem primären und sekundären Versorgungssektor nicht vollzogen.

Zeitgleich erfolgte die Rekrutierung von Patientinnen und Patienten (15) sowie Ärztinnen und Ärzten (8), mit denen 23 leitfadengebundene Interviews geführt wurden. Die zentrale Leitfrage bei den Patientinnen und Patienten lautete: „Können Sie uns von solchen Fehlern „mit und ohne Folgen“ in einer Arztpraxis berichten, die Sie selbst erlebt haben?“. Bei den Ärztinnen und Ärzten: „Welche Erfahrungen haben Sie mit „Fehlern mit und ohne Folgen“ in der ambulanten Versorgung bzw. in Ihrer Praxis gemacht?“.

Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und im Anschluss im Abgleich mit den Ergebnissen der Literaturrecherche hinsichtlich neuer Fehlerkategorien und –arten analysiert.

Ergebnisse: Von ursprünglich 2.044 Treffern (Pubmed: 752; Ovid: 48; Web of Science: 498; Cochrane: 55; Livovo: 22 und graue Literatur: 669) wurden nach der Entfernung von Dopplungen 169 Artikel für die weitere Analyse ausgewählt. Auf der Basis der Volltextanalyse wurden weitere 129 Artikel ausgeschlossen, da sie die o. g. Einschlusskriterien nicht ausreichend erfüllten, sodass 45 Artikel für die Entwicklung des Erhebungsinstrumentes aufbereitet wurden. Im Schwerpunkt weisen bisherige internationale Studien auf drei primäre Bereiche hin, die anfällig für PSI sind: „Diagnostik“, „Medikation“ und „Administration“.

Die Ergebnisse der Literaturrecherche wurden durch die berichteten Erfahrungen mit den Interviewteilnehmern/innen gestützt: so berichteten sowohl die interviewten Fachärztinnen und Fachärzte als auch die Patientinnen und Patienten von vermeidbaren Fehlern wie z. B. vergessene Differentialdiagnosen und Laborbefunde, falsche Verordnung und fehlende Nachsorge. Als ursächlich für diese Fehler wurden vor allem „mangelhafte Kommunikation“, „fehlende Erfahrung“, „Stress und Unaufmerksamkeit“ angeführt.

Unter Berücksichtigung der fachärztlich ambulanten Versorgung, wie sie typisch für Deutschland ist, enthält das Befragungsinstrument 7 Kategorien für PSI mit je 3-9 Items: „ärztliche Untersuchungen“ (9 Items); „ambulante Operationen“ (5 Items); „Spritzen, Impfungen und Infusionen“ (5 Items); „Medikamente“ (6 Items); „Nachsorge“ (3 Items); Praxisorganisation und Patientenverwaltung“ (3 Items) sowie „sonstige Fehler“.

Praktische Implikationen: Die Erkenntnisse der systematischen Literaturrecherche und leitfadengestützten Interviews sind in die Entwicklung des Befragungsinstruments eingeflossen, das bei der halbjährigen Befragung eingesetzt wird, die im Herbst 2018 endet.