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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Relevante Dimensionen gesundheitsbezogener Lebensqualität bei Krebspatienten und deren Implementierung in die klinische onkologische Routine – Ergebnisse einer qualitativen Studie

Meeting Abstract

  • Mirja Görlach - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Theresa Schrage - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Christiane Bleich - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Holger Schulz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf303

doi: 10.3205/18dkvf303, urn:nbn:de:0183-18dkvf3033

Published: October 12, 2018

© 2018 Görlach et al.
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Text

Hintergrund: Die Folgen der Erkrankung und Behandlung onkologischer Patienten sind häufig sehr belastend und werden in beträchtlichem Ausmaß nicht erkannt und adressiert. Durch die Implementierung eines Instrumentes zur Messung von gesundheitsbezogener Lebensqualität (HrQoL) kann die onkologische Versorgung im klinischen Alltag verbessert werden. Nicht nur in der Forschung, sondern vor allem in der klinischen Routine und hier wiederum zu mehreren Messzeitpunkten im Behandlungsverlauf wird von Patienten, Behandlern und Kostenträgern angeregt patient-reported Outcomes (PROs) zu erheben. Nichtsdestotrotz finden PROs kaum Eingang in die Versorgungsprozesse. Im Fokus der Forschung standen bisher die Auswirkungen und die Effektivität von Messungen der PROs, wobei der Prozess der Implementierung und die Identifizierung von förderlichen und hinderlichen Faktoren eher vernachlässigt wurden. Es gibt bereits Fragebögen, die HrQoL bei Krebspatienten messen. Allerdings bilden die Menge der Items, die Komplexität der Auswertung oder das generische Design dieser Instrumente ein Hindernis bei der Nutzung in der Routine.

Fragestellung: Was sind bedeutsame Aspekte von gesundheitsbezogener Lebensqualität aus Sicht der Behandler und Patienten? Wie stellen sich förderliche und hinderliche Faktoren in der Implementierung und Nutzung in der klinischen Routine dar?

Methode: Insgesamt wurden 28 Interviews mit Krebspatienten aus fünf verschiedenen Kliniken sowie sechs Fokusgruppen mit Behandlern (Ärzte, Pflegepersonal und Psychoonkologen) zu den Themen relevanter Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Krebspatienten sowie möglichen förderlichen und hinderlichen Faktoren bei der Implementierung eines Fragebogens in die onkologische klinische Routine geführt. Die Interviews und Fokusgruppen wurden mittels eines qualitativen, halbstandardisierten Interviewleitfadens durchgeführt, mit einem Audio-Gerät aufgezeichnet und anschließend vollständig pseudonymisiert transkribiert. Das Datenmaterial wurde anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring mit der Software MAXQDA 18 ausgewertet.

Ergebnisse: Für onkologische Patienten und Behandler bedeutsame Dimensionen der HrQoL sind vor allem Autonomie, soziale und bewegungsbezogene Funktionalität, emotionales Befinden und überdauernde Schmerzen/körperliche Beeinträchtigungen. Weitere sehr relevante Faktoren sind ein Gefühl von Sicherheit und Aufgehobenheit im Krankenhauskontext, Würde im Umgang mit den Patienten, als auch deren Bewältigungsmöglichkeiten bzw. Ressourcen. Weniger relevant sind für die Befragten Themen wie „Gesundheitswahrnehmung“, „Religiosität/Spiritualität“ und „Partnerschaft/Sexualität“.

Bzgl. der Implementierung äußerten sich die Befragten zu förderlichen und hinderlichen Aspekten der Rückmeldung, Adressaten, Erhebungsform, inhaltlichen Form des Instruments und dem Befragungszeitpunkt im Behandlungsverlauf.

Diskussion/praktische Implikationen: Wie erwartet decken sich die Ergebnisse der Befragung mit denen anderer Forschergruppen. Dimensionen von HrQoL wie Autonomie, Funktionalität, emotionales und körperliches Befinden kommen bereits in vielen Instrumenten zum Einsatz. Andere in der Befragung bedeutsame Nuancen wurden bisher weniger durch Fragebögen abgedeckt. Neben Autonomie scheint Würde ein zentrales Thema in der Krankenhausbehandlung zu sein und auch das Gefühl von Sicherheit/Aufgehobenheit scheint eine Rolle bei der emotionalen Befindlichkeit zu spielen. Im Bereich der körperlichen Beschwerden und Schmerzen sind es vor allem die chronischen, andauernden Beeinträchtigungen, die die Patienten beschäftigen. Eine wichtige Frage, die sich in den Befragungen hervorgetan hat, betrifft die Bewältigungsmöglichkeiten bzw. Ressourcen der Patienten. Das Vorhandensein von Schmerzen, psychischen und weiteren körperlichen Beeinträchtigungen geht für viele Betroffene mit der Diagnose Krebs einher. Viel relevanter scheint jedoch auch die Frage, ob die Patienten sich in der Lage fühlen mit den Belastungen umzugehen.

Die bisherige Implementierungsforschung zeigt, dass Implementierungsanalysen bei Interventionen oft fehlen und daher eine nachhaltige Nutzung der Intervention gefährdet war. Daher sind die ermittelten förderlichen und hinderlichen Faktoren bei der Implementierung wegweisend für die weitere Implementierung und deren Evaluation des Fragebogens in die klinische onkologische Routine, um eine nachhaltige Nutzung zu gewährleisten.