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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Validierung der Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mittels des SF-12 Version 2.0 in einer deutschen Normstichprobe

Meeting Abstract

  • Karin Drixler - Pädagogische Hochschule Freiburg, Health Education and Public Health, Freiburg
  • Heide Glaesmer - Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Leipzig
  • Elmar Brähler - Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Leipzig
  • Matthias Morfeld - Humanwissenschaften, Hochschule Magdeburg-Stendal, Standort Stendal, Angewandte Humanwissenschaften, Stendal
  • Markus Antonius Wirtz - Pädagogische Hochschule Freiburg, Forschungsmethoden, Freiburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf293

doi: 10.3205/18dkvf293, urn:nbn:de:0183-18dkvf2935

Published: October 12, 2018

© 2018 Drixler et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist das subjektive Befinden von Menschen zu einem wesentlichen Teil der Gesundheitsforschung geworden. In der Lebensqualitätsforschung werden auf Basis einer bio-psycho-sozialen Modellvorstellung psychologische, funktionale und soziale Aspekte aus Perspektive der Betroffenen in die Bewertung des Gesundheitszustands mit eingebracht. Der Short-Form-Health-Survey-12 (SF-12; Kurzversion des Short-Form-Health-Survey-36 (SF-36)) ist eines der am häufigsten eingesetzten Screeninginstrumente zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Sowohl in epidemiologischen Studien als auch in klinischen Studien hat sich der SF-12 als Standard zur Messung körperlicher und psychischer Facetten der gesundheitsbezogenen Lebensqualität etabliert. Der SF-12 erfasst nach der Originalauswertungsvorschrift mit jeweils 6 Einzelitems körperliche und psychische Aspekte, die zu zwei Skalenwerten aggregiert werden. In der Literatur werden jedoch psychometrisch kritische Aspekte der zweidimensionalen Struktur berichtet, die insbesondere die empirische Haltbarkeit der theoretisch angenommenen Item-Konstrukt-Zuordnungen betreffen. Entsprechend konnte für ein Modell, das im psychischen Bereich einen Faktor ‚Psychische Gesundheit‘ (Vitalität, Soziale Funktionsfähigkeit, Psychisches Befinden) und einen Faktor ‚Emotionale Rollenfunktion‘ unterscheidet eine optimale Datenkompatibilität nachgewiesen werden.

Fragestellungen:

1.
Bestehen theoriekonforme Zusammenhänge der SF-12 Konstrukte ‚Körperliche Gesundheit‘, ‚Psychische Gesundheit‘ und ‚Emotionale Rollenfunktion‘ mit konstruktnahen (konvergente Validierung) und konstruktferneren (divergente Validierung) Merkmalen (PHQ-9: Depressivität; OSS-3: Soziale Unterstützung; SWLS: Lebenszufriedenheit).
2.
Welchen Varianzanteil der Lebenszufriedenheit (SWLS) können die SF-12 Konstrukte ‚Körperliche Gesundheit‘, ‚Psychische Gesundheit‘ und ‚Emotionale Rollenfunktion‘‘ gemeinsam mit der ‚Sozialen Unterstützung‘ (OSS-3) im Rahmen einer bio-psycho-sozialen Modelldefinition aufklären?

Methodik: Die Instrumentenprüfungen erfolgten mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen. Zur Analyse der multivariaten Zusammenhänge mit den Validierungsinstrumenten wurden Strukturgleichungsmodelle geschätzt. Um skalierungsbedingte Verzerrungen zu vermeiden, kam der WLSMV-Algorithmus zum Einsatz, der durch den unterliegenden latent-trait-Ansatz geeignet ist, ordinale Datenformate sowie Decken- und Bodeneffekte adäquat zu berücksichtigen. Die Daten entstammen einer für die deutsche Bevölkerung (Alter > 14 Jahren) repräsentativen Stichprobe von N=2 524 Personen.

Ergebnisse: Die faktorielle Validität des Patient Health Questionnaire (PHQ-9; Depressivität), der Oslo Social Support Scale (OSS-3; Soziale Unterstützung) und der Satisfaction with Life Scale (SWLS; Lebenszufriedenheit) konnte mittels einfaktorieller konfirmatorischer Faktorenanalysen nachgewiesen werden (SRMR = .052 / .047 / .026; CFI = .966 / .960 / .987). Konfirmatorisch ergaben sich hypothesengemäß mittlere bis hohe Zusammenhänge mit den divergenten und konvergenten Referenzkonstrukten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die SF-12-Konstrukte mit r = .84 - .88 hoch interkorreliert sind. Für die multivariate Vorhersage der Lebenszufriedenheit wurde die Depressivität gemäß PHQ-9 anstelle des SF-12 Konstrukts ‚Psychische Gesundheit‘ (r(SF-12-PG, PHQ-9) = .93) in das Modell aufgenommen, um eine kritische Multikollinearität der Prädiktorkonstrukte vermeiden zu können Auf Basis dieser biopsychosozialen Modellierung konnte die Lebenszufriedenheit zu 37 % (SRMR = .046; CFI = .965) vorhergesagt werden.

Diskussion: Der kriteriale Validität der SF-12 Skalen ‚Körperliche Gesundheit‘, ‚Psychische Gesundheit‘ und ‚Emotionale Rollenfunktion‘ konnte sehr gut bestätigt werden. Lediglich die hohe Interkorrelation der SF-12-Konstrukte erweist sich bei der differentiellen Interpretation körperlicher und psychischer Facetten gegebenenfalls als kritisch. Das Konstrukt ‚Emotionale Rollenfunktion‘ wird lediglich mit 2 Items erfasst. Da dieses Konstrukt im Grundmodell des SF-12 nicht als separate Komponente berücksichtigt wurde, sollte hier eine erweiterte Itembasis angestrebt werden.

Praktische Implikationen: Für den SF-12 konnte ein gute Konstrukt- und kriteriale Validität nachgewiesen werden. Zudem liegen für die validierte Version Normierungsdaten vor. Der SF-12 erlaubt eine umfassende psychometrisch geprüfte Erfassung körperlicher, psychischer und emotionaler Facetten der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Das Instrument kann sowohl in klinischen als auch epidemiologischen Studien zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität angewendet werden."