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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Wie erleben PatientInnen die Entscheidungsfindung vor einer Stentimplantation? Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung zu Implantatinnovationen

Meeting Abstract

  • Manuela Ritzke - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock
  • Attila Altiner - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock
  • Annette Diener - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock
  • Christian Helbig - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock
  • Hüseyin Ince - Universitätsmedizin Rostock, Zentrum für Innere Medizin, Abteilung für Kardiologie, Rostock
  • Alper Öner - Universitätsmedizin Rostock, Zentrum für Innere Medizin, Abteilung für Kardiologie, Rostock
  • Anja Wollny - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf288

doi: 10.3205/18dkvf288, urn:nbn:de:0183-18dkvf2884

Published: October 12, 2018

© 2018 Ritzke et al.
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Text

Hintergrund: In dem aus (universitären) Forschungseinrichtungen und mittelständischen Unternehmen bestehenden Konsortium RESPONSE werden u. a. Konzepte für zukünftige kardiovaskuläre Implantaten entwickelt. Neben der technischen Weiterentwicklung von Drug-Eluting-Stents (DES) soll auch der spätere Einsatz in der Versorgung von Anfang an adressiert werden. Elektive (Folge-)Eingriffe eröffnen ein mögliches Handlungsfeld, PatientInnen in die Entscheidung für eine bestimmte Stentart (z. B. permanent vs. bioabbaubar) einzubeziehen. Bislang gibt es keine Untersuchungen dazu, ob und wie PatientInnen dies wünschen und welche patientenrelevanten Outcomes die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Stent unterstützen. Gerade qualitative Forschungsmethoden können hier einen ersten wichtigen Beitrag leisten.

Fragestellung: Wie erleben PatientInnen ihre kardiovaskuläre Erkrankung mit Stentbehandlung vom ersten Auftreten bis heute und wie schätzen sie ihren Beitrag im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung ein?

Methode: Für die noch laufende qualitative Studie wurden PatientInnen, die bereits mit einem koronaren oder peripheren Stent versorgt wurden, persönlich durch Hausärzte und Klinikärzten einer kardiologischen Universitätsabteilung zur Interviewteilnahme angefragt. Bisher wurden 20 Interviews mit PatientenInnen (16 männlich, 4 weiblich, 53-81 Jahre) geführt. Im Fokus der narrativen Interviews standen zunächst die Erfahrungen der PatientInnen mit ihrer kardiovaskulären Erkrankung ganz allgemein. Besonderes Augenmerk wurde auf PatientenInnen mit geplanten Eingriffen gelegt. Zudem wurden hypothetische Therapieverfahren und der patientenseitige Einbezug in die Entscheidung im Interview thematisiert. Die 20-90-minütigen Interviews wurden tonaufgezeichnet, pseudonymisiert, transkribiert und mittels induktiver Inhaltsanalyse nach Mayring von einer interdisziplinären Analysegruppe (aus dem ärztlichen sowie sozial- und naturwissenschaftlichen Bereich) ausgewertet.

Ergebnisse: PatientInnen, bei denen die Implantation von Stents im Rahmen einer notfallmedizinischen Versorgung erfolgten, fällt die anschließende Neuorientierung im Alltag besonders schwer. Das Erleben einer potentiell auch tödlich enden könnenden akuten Erkrankung, führt zur Bilanzierung des gesamten Lebens. Im Anschluss an die Intervention steht das Ziel der Wiedererlangung der physischen Leistungsfähigkeit etwa durch die Teilnahme an Herzsportgruppen ganz im Vordergrund. Die Umsetzung von Lebenstilveränderungen gelingt den interviewten Patienten nur bedingt in ihrem Alltag. Vor diesem Hintergrund tritt die Frage nach der Art und Beschaffenheit des Stents in den Hintergrund. Bei den Patienten mit elektivem Eingriff stellt sich die Implantation der Stents im Gesamtverlauf als die Lebensqualität wiederherstellendes Ereignis dar. Allerdings wird die anschließende Medikation (z.B. duale Thrombozytenaggregation) als belastend empfunden. In der Möglichkeit weniger oder sogar gar keine Medikamente einnehmen zu müssen, sehen die PatientInnen den größten potentiellen Vorteil innovativer Stents.

Diskussion: Es kann festgestellt werden, dass aus Patientenperspektive bei elektiven perkutanen koronaren Interventionen, Interesse an einer individualisierten Behandlungsmethode besteht. Vorteile aber auch potentielle Risiken von Implantatinnovationen werden wahrgenommen. Es wird deutlich, dass zumindest bei einigen PatientInnen mit elektivem Eingriff der Wunsch nach einer Möglichkeit des Mitentscheidens in Bezug auf die Implantatwahl besteht.

Praktische Implikationen: Die Interviews machen allerdings deutlich, dass die umfassende Aufklärung der PatientInnen als Voraussetzung für eine Mitentscheidung bei der Implantatauswahl nicht allein von ÄrztInnen leistbar ist, u.a. da häufig nur ein Bruchteil des Inhaltes einer Konsultation von PatientInnen in dem konkreten Moment verstehbar ist. Daher gilt es, die allgemeine Gesundheitskompetenz der PatientInnen in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Therapie zu fördern. Nur so erscheint es möglich, dass sich PatientInnen vor einem Eingriff bewusst machen, ob sie mitentscheiden wollen oder nicht.