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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Evaluation einer ICF-CY-basierten komplexen Versorgungsmaßnahme zur Verbesserung der partizipativen Entscheidungsfindung an Sozialpädiatrischen Zentren und der sozialen Teilhabe von Kindern mit Beeinträchtigungen – Intervention und Studiendesign

Meeting Abstract

  • Michael Eichinger - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health und Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Mannheim
  • Tatiana Görig - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health, Mannheim
  • Heike Philippi - Sozialpädiatrisches Zentrum Frankfurt Mitte, Frankfurt
  • Dorle Hoffmann - Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Pädiatrische Epidemiologie, Mainz
  • Jochem König - Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Pädiatrische Epidemiologie, Mainz
  • Michael S. Urschitz - Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Pädiatrische Epidemiologie, Mainz
  • Freia De Bock - Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health und Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Mannheim

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf284

doi: 10.3205/18dkvf284, urn:nbn:de:0183-18dkvf2849

Published: October 12, 2018

© 2018 Eichinger et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland sind 15 % der Kinder und Jugendlichen von chronischen Gesundheitsproblemen betroffen. Davon werden circa 600.000 pro Jahr an Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) betreut. SPZ leisten damit einen wichtigen Beitrag zur spezialisierten multidisziplinären ambulanten Versorgung dieser Patientengruppe. Um die Versorgungsqualität für Kinder mit chronischen Erkrankungen zu verbessern, hat die WHO im Jahr 2011 die International Classification of Functioning, Disability and Health for Children and Youth (ICF-CY) publiziert. Die ICD-10 Diagnose ergänzend rückt die ICF-CY die alltagsrelevanten Domänen Aktivitäten, Partizipation und Kontextfaktoren in den Mittelpunkt. Eine Umsetzung der ICF-CY in pädiatrischen Versorgungskontexten könnte einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität leisten, in dem die Versorgung stärker teilhabeorientiert ausgerichtet und die partizipative Entscheidungsfindung gestärkt wird. Eine Implementierung der ICF-CY im Versorgungsalltag wurde bisher jedoch nicht konsequent versucht.

Das Ziel des Projekts PART-CHILD ist es, die Implementierung einer komplexen ICF-CY-basierten Versorgungsmaßnahme an 15 SPZ zu evaluieren. Die Versorgungsmaßnahme umfasst (1) eine dreimodulare Mitarbeiterschulung zur ICF-CY und zur teilhabe- und klientenzentrierten Gesprächsführung basierend auf Elementen des Motivational Interviewing und der Zielfindung auf Teilhabeebene, (2) die Bereitstellung des im jeweiligen Patienteninformationssystem verankerten Planungs- und Dokumentationstools ICF-Add-In, das die Anwendung der ICF-CY in der Dokumentation (z.B. Arztbriefe) und im Rahmen von runden Tischen und Fallkonferenzen unterstützt, sowie (3) eine praxisnahe, mehrmonatige Implementierungsbegleitung zur Unterstützung des Transfers von Schulungsinhalten in den SPZ-Alltag (z.B. Telefonhotline, Supervision).

Fragestellung: Erhöht sich durch die Implementierung der dreimodularen ICF-CY-basierten Versorgungsmaßnahme für Patienten und Eltern

1.
der Grad an partizipativer Entscheidungsfindung,
2.
ihre Zufriedenheit mit der Versorgung,
3.
ihre Lebensqualität sowie
4.
die Teilhabe der Patienten im Alltag?

Methoden: Die Versorgungsmaßnahme wird im Rahmen einer (1) Effekt- und (2) Prozessevaluation evaluiert. Die Effektevaluation erfolgt durch eine cluster-randomsierte Studie im Stepped-Wedge-Design an 15 SPZ. Insgesamt werden ca. 3,000 Patienten und 12,000 Eltern in die Studie eingeschlossen. Der Übertritt der SPZ von der Kontroll- in die Interventionsphase erfolgt randomisiert in 3-monatigen Abständen in 5 Sequenzen (= 3 SPZ/Sequenz). Die Datenerhebung wird von November 2018 bis Juli 2020 stattfinden. Sämtliche Eltern und alle Patienten > 7 Jahre werden in die Endpunkterhebung eingeschlossen. Spezifische Ein- oder Ausschlusskriterien werden nicht definiert. Primärer Endpunkt ist die partizipative Entscheidungsfindung von Eltern. Sekundäre Endpunkte sind die partizipative Entscheidungsfindung von Patienten (falls > 7 Jahre; Instrumente: Eltern- und Patientenversion von CollaboRATE), die Zufriedenheit mit der Versorgung, die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie die Teilhabe der Patienten. Die Erfassung der Endpunkte erfolgt mittels Tablets direkt nach den Fachkraftkontakten an den SPZ. Im Rahmen von Moderatoranalysen werden die Primärdaten mit Sekundärdaten aus den Patienteninformationssystemen sowie dem ICF-Add-In zusammengeführt. Eine Verblindung der Teilnehmer ist auf Grund des Studiendesigns nicht möglich. Die Analyse erfolgt mit hierarchischen Modellen mit festem Periodeneffekt. Im Rahmen der Prozessevaluation werden quantitative (Fachkraft- und SPZ-Leitungssurvey) und qualitative Daten (semistrukturierte Interviews mit Fachkräften und SPZ-Leitungen, Videoanalysen von Fachkraftkontakten) erhoben und einzeln sowie im Rahmen einer Mixed-Methods-Analyse ausgewertet.

Ergebnisse: Im Rahmen des Kongresses werden Details zur (1) Versorgungsmaßnahme, zum (2) logischen Modell der Intervention und zum (3) Studiendesign der Effekt- und Prozessevaluation vorgestellt.

Diskussion: Durch die Stärkung einer patienten- und teilhabeorientierten Versorgung hat die ICF-CY-basierte Versorgungsmaßnahme das Potenzial, die Versorgungsqualität für Kinder und Jugendliche mit chronischen Krankheiten und Behinderungen zu verbessern.

Praktische Implikationen: Sollte die Versorgungsmaßnahme positive Effekte auf die partizipative Entscheidungsfindung, die Eltern- und Patientenzufriedenheit und die Teilhabe der Patienten zeigen, ist auf Grund des flexiblen modularen Aufbaus eine zeitnahe Ausweitung der Versorgungsmaßnahme auf weitere SPZ möglich. Adaptierte Versionen der Versorgungsmaßnahme könnten auch in anderen Sektoren des pädiatrischen Versorgungssystems zur Anwendung kommen (z.B. stationäre Versorgung von chronisch kranken Kindern in Kinderkliniken, ambulante Versorgung in Hochschulambulanzen).