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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Was denken Ärzt_innen und Pflegende über ein geplantes Screening-System für die palliativmedizinische Versorgung? Erste Ergebnisse einer qualitativen Studie

Meeting Abstract

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  • Natalia Radionova - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen
  • Christine Preiser - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen
  • Monika A. Rieger - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf282

doi: 10.3205/18dkvf282, urn:nbn:de:0183-18dkvf2821

Published: October 12, 2018

© 2018 Radionova et al.
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Hintergrund: Innerhalb des Kompetenzzentrums für Palliative Care Baden-Württemberg (Leitung: Prof. Dr. Gerhild Becker, Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Freiburg) soll im Rahmen des Verbundforschungsvorhabens „MySUPPORT“ ein Tablet/APP-basiertes elektronisches Screening-System entwickelt und validiert werden. Das zu entwickelnde System soll es ermöglichen, mittels Eingaben durch die Patient_innen deren Bedarfe und Bedürfnisse bei minimaler Belastung zu erheben.

Fragestellung: Ziel dieser qualitativen Teilstudie ist es, im Vorfeld der Entwicklung Haltungen, Befürchtungen und Wünsche zu einem derartigen elektronischen Screening-System zu erforschen. In diesem Beitrag werden die Perspektiven der Behandler_innen auf einen möglichen Nutzen des Screening-Systems für die Versorgung der Patient_innen in stationären und ambulanten Settings präsentiert.

Methoden: Im Rahmen der Studie wurden bislang 17 leitfadengestützte Expert_inneninterviews mit Behandler_innen (9 Ärzt_innen und 8 Pflegende) aus verschiedenen palliativmedizinischen Settings (Palliativstation, Hospiz, spezialisierte ambulante palliativmedizinische Versorgung, Hausärzt_innen) durchgeführt, transkribiert, pseudonymisiert und mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Schreier ausgewertet.

Ergebnisse: Unsere Ergebnisse zeigen, dass der (fehlende) Nutzen im Zusammenhang mit drei Themenkomplexen gedacht wird:

  • Die Erhebung der Bedarfe und Bedürfnisse palliativer Patient_innen
  • Die Organisation palliativer Versorgung
  • Die Interaktion zwischen Behandler und Patient_innen

Für einen Teil der Befragten entsteht durch die Verwendung des Systems (im stationären und ambulanten Setting) keine Verbesserung der Symptomkontrolle, etwa im Bereich von Schmerztherapien. Eine elektronische Erhebungsweise bietet für die Befragten im Vergleich zur bestehenden Art und Weise der Erhebung der Bedarfe und Bedürfnisse der Patient_innen (über Gespräche und vorhandene standardisierte Instrumente) keine überzeugenden Vorteile. Verschiedene Probleme bei der Selbsteinschätzung und Selbstauskunft der Patient_innen führen zudem dazu, dass erwarteter Aufwand und Nutzen bei Verwendung eines elektronischen Systems für viele Befragten in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Einige Befragte erwarten erheblichen Mehraufwand bei der Organisation der Versorgung, u.a. durch fehlende Kompatibilität mit bestehender Software. Die Anwendung des Systems in Interaktionen mit dem Patient_innen wurde mit Ablehnung, Sorge um das Eindringen in die Behandler-Patient-Beziehung oder Zweifel an (entscheidenden) Vorteilen für diesen Aufgabenbereich aufgenommen.

Für einige Interviewpartner_innen ist für die nicht spezialisierten Versorgung palliativer Patient_innen ein Nutzen eines entsprechenden Systems vorstellbar: Bedarfe, Bedürfnisse und Wünsche könnten so frühzeitiger erkannt werden. Als sinnvolles Anwendungsgebiet für das System nennen Befragte zudem die Verbesserung organisatorischer Aufgaben, wie beispielsweise der Dokumentation, da Daten unmittelbar ins System eingetragen werden und von allen sofort eingesehen werden könnten.

Diskussion: Die qualitative Datenerhebung ermöglichte die Erhebung wesentlicher Überlegungen von in der palliativmedizinischen Betreuung von Patient_innen engagierten Ärzt_Innen und Pflegenden im Vorfeld der Entwicklung des geplanten elektronischen Screening-Systems.

Das System wird von den Befragten insgesamt mit Skepsis betrachtet, besonders dort, wo es als Störfaktor in der Behandler-Patient-Beziehung angesehen wird. Mögliche Vorteile werden für umschriebene Anwendungen gesehen.

Praktische Implikationen: Die vorliegend erhobenen Erwartungen sollen im weiteren Projektverlauf mit Einschätzungen verglichen werden, die nach tatsächlicher Nutzung des Angebots erhoben werden.