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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Versorgungsqualität von Arzneimitteln für Privatversicherte in Deutschland

Meeting Abstract

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  • Christian O. Jacke - Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), WIP, Köln
  • Frank Wild - Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), WIP, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf263

doi: 10.3205/18dkvf263, urn:nbn:de:0183-18dkvf2633

Published: October 12, 2018

© 2018 Jacke et al.
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Hintergrund: Arzneimittel gehören zu den wirksamsten Instrumenten der ärztlichen Behandlung. Zur Arzneimittelversorgung für gesetzlich Versicherte (GKV) liegen hierzu eine Reihe von Studien vor. Über die Versorgungsqualität von Arzneimitteln für privat Versicherte (PKV) hingegen ist bislang wenig bekannt.

Fragestellung: Die folgende Studie zielt darauf ab, auf Aggregatebene erste Qualitätsindikatoren für PKV-Versicherte zu berechnen. Dabei ist das Kostenerstattungsprinzip zu beachten: Wie viele Versicherte reichten Arzneimittelrezepte zur Verrechnung ein? Insbesondere bei Älteren (>64 Jahre) stellt sich zudem die Frage, wie viele Versicherte eine Polymedikation erhalten. Viele Medikamente können miteinander interagieren, toxisch wirken und unerwünschte Nebenwirkungen bis hin zu Krankenhausaufenthalten mit tödlichem Ausgang auslösen. Schließlich interessiert die Frage, wie viele der über 64-jährigen potentiell inadäquate Medikamente erhalten.

Methode: Die einzelnen Krankenversicherungen sammelten und meldeten die eingereichten Rezeptdaten von 2016 an die zentrale Clearingstelle (Wissenschaftliches Institut der PKV). Diese Daten wurden harmonisiert und um die Pharmazentralnummer (PZN) zusammengeführt. Die PZN erlaubt zudem eine Anreicherung um zusätzliche Angaben aus der ABDATA. Personenbezogene Variablen (Pseudo-ID, Alter, Geschlecht) der Inanspruchnahme-Population lagen vor, um die quotenbasierten Qualitätsindikatoren berechnen zu können. Der Zähler enthält dabei die Anzahl der Personen mit interessierendem Merkmal, während der Nenner die jeweilige Auswahlgesamtheit quantifiziert.

Die Einreichungsquote setzt die Summe aller rezepteinreichenden Personen ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller Privatversicherten. Die Polymedikationsquote enthielt im Zähler die Anzahl an Menschen älter als 64 Jahre und mit mehr als 9 Medikamenten (inkl. Over-the-Counter, OTC) je Quartal. Im Nenner die Summe aller Privatversicherten älter als 64 Jahre. Die Quote der potentiell inadäquaten Medikamente basierte auf der Anzahl von Personen über 64 Jahre, die mindestens ein Medikament von 83 potentiell schädigenden Medikamenten (sogenannte Priscus Liste) erhielten. Für die drei Qualitätsindikatoren wurden 95 % Konfidenzintervalle nach der Clopper-Pearson Methode berechnet.

Ergebnisse: Insgesamt meldeten 14 von 44 Privaten Krankenversicherungen einen Sekundärdatensatz mit 3,5 Mio. von 8,8 Mio. Vollversicherten. Die Einreichungsquote betrug insgesamt 57 % (62 % Frauen, 48% Männer). Die Polymedikationsquote sank von 25 % in Quartal 1 (Frauen 27 %, Männer 24 %) auf 12 % in Quartal 4 (Frauen 13%, Männer 13%). Die Quote potentiell inadäquater Medikamente betrug 20 % (Frauen 23 %, 17% Männer).

Diskussion: Die Datenbasis berichtet über ca. 40 % der Privatversicherten, von denen ca. 60 % ihre Rezepte einreichten. Bezogen auf die Grundgesamtheit aller Privatversicherten haben damit 24 % aller Privatversicherten mindestens ein Rezept eingereicht. Da es aber einen ökonomischen Anreiz zur Nicht-Einreichung von Rezepten (z.B. Tarife mit Rückerstattungen) gibt, dürfte die wahre Inanspruchnahme von Arzneimitteln höher sein.

Der Effekt der Untererfassung verliert aber in höheren Altersklassen an Bedeutung, sodass die berichteten Polymedikations- und PIM-Quoten in der Höhe durchaus mit den Quoten der gesetzlich Versicherten aus Primärdatenquellen vergleichbar sind. Bei Vergleichen dieser Art sind allerdings regulatorische Unterschiede (z.B. OTCs) oder methodische Herausforderungen (z.B. Recall-Bias) zu beachten.

Praktische Implikationen: Unabhängig von gesetzlich oder privat Versicherten stellt man fest, dass die Höhe der Quoten für Polymedikation oder potentiell inadäquate Medikamente hinterfragt werden sollten. Weitere Forschungsansätze sind notwendig, da die meisten Leitlinienempfehlungen auf Studien für 60-jährige basieren und für deutlich ältere Menschen kein evidenzbasiertes Vorgehen anbieten. Auf dieser Basis ist ein patientenindividuelles Vorgehen in Kombination mit einer Medikationsanalyse und -management möglich, ob mit oder ohne Arzneimittel-Therapie-Systeme (AMTS), dürfte dabei zunächst eine untergeordnete Rolle spielen.