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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Geschlechterunterschiede in der Diagnose und Versorgung bei Herzinsuffizienz – ein systematisches Review

Meeting Abstract

  • Sarah Koens - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Jens Klein - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg
  • Helen Greiner - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg
  • Olaf von dem Knesebeck - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie, Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf261

doi: 10.3205/18dkvf261, urn:nbn:de:0183-18dkvf2616

Published: October 12, 2018

© 2018 Koens et al.
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Text

Hintergrund: Die Herzinsuffizienz hat weltweit eine große epidemiologische und ökonomische Relevanz. Gemäß aktueller Leitlinien zur Diagnose und Behandlung der Herzinsuffizienz wird für Frauen und Männer ein einheitliches diagnostisches und therapeutisches Vorgehen empfohlen. Das Ziel des systematischen Reviews besteht darin, einen Überblick über die internationale Studienlage zur Diagnose und Versorgung bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz zu verschaffen. Es werden Geschlechterdifferenzen erwartet.

Fragestellung: Bestehen Unterschiede in der diagnostischen Vorgehensweise und in der Versorgung zwischen Frauen und Männern mit Herzinsuffizienz?

Methode: Zur Identifikation relevanter Studien wurde eine systematische Suche in der Datenbank Pubmed für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 28.02.2018 durchgeführt, da aus dem Jahr 2003 bereits ein Review zum Thema Geschlechterunterschiede bei Herzinsuffizienz existiert. Zudem wurden die Referenzlisten der eingeschlossenen Publikationen auf weitere geeignete Studien überprüft. Zwei Reviewer überprüften die Titel und Abstracts unabhängig voneinander auf vorher festgelegte Ein- und Ausschlusskriterien. Auch die Volltexte der verbliebenen Artikel überprüften die beiden Personen unabhängig voneinander. Es wurden Studien in deutscher und englischer Sprache eingeschlossen, die Herzinsuffizienzbetroffene eingeschlossen haben und den Einfluss des Geschlechtes auf Aspekte der Diagnose beziehungsweise Versorgung thematisierten.

Ergebnisse: Die Recherche lieferte n=2096 Publikationen. 2018 Artikel wurden nach der Titel- und Abstractsichtung und weitere 30 Veröffentlichungen nach der Volltextüberprüfung ausgeschlossen, sodass 48 Studien in das Review eingeschlossen wurden. Hinsichtlich der Anwendung von diagnostischen Maßnahmen zeigt sich, dass bei Frauen seltener als bei Männern eine Echokardiographie durchgeführt wurde und dass die linksventrikuläre Auswurffraktion bei weniger Frauen gemessen wurde. Bezüglich der medikamentösen Behandlung wurde festgestellt, dass ein geringerer Anteil an Frauen ACE-Hemmer, Beta-Blocker, Aspirin, Diuretika sowie Aldosteron-Antagonisten erhielt und Frauen häufiger als Männer mit Calciumkanalblockern und Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern behandelt wurden. Außerdem erhielten Frauen seltener als Männer ideale Dosen. Verglichen mit Frauen wurde bei einem größeren Anteil an Männern eine kardiale Resynchronisationstherapie durchgeführt. Die Studienergebnisse zeigen, dass Frauen seltener zu Spezialisten überwiesen und hinsichtlich der Erkrankung geschult wurden, weniger Anweisungen sowie Lebensstilempfehlungen erhielten und dass bei einem geringeren Anteil an Frauen Nachuntersuchungen veranlasst wurden.

Diskussion: Obwohl Leitlinien für Frauen und Männer ein identisches Vorgehen in der Diagnose und Versorgung von Herzinsuffizienz empfehlen, zeigt die aktuelle Studienlage diesbezüglich Geschlechterungleichheiten in der Praxis. So scheinen die Echokardiographie und die Erfassung der linksventrikulären Ejektionsfraktion bei Männern häufiger Anwendung zu finden als bei Frauen. Bezüglich der Therapie zeigt sich, dass Frauen seltener leitliniengerecht behandelt werden als Männer. Ein Review aus dem Jahr 2003 beschreibt ähnliche Geschlechterunterschiede im diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei Herzinsuffizienzbetroffenen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass die einbezogenen Studien in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Versorgungssystemen durchgeführt wurden. Eine methodische Schwierigkeit besteht in der Zusammenfassung der Ergebnisse, da die Studien unterschiedliche Methoden verwendeten und zum Teil Unterschiede in Bezug auf das Alter, Krankheitsschwere sowie Begleiterkrankungen zwischen den eingeschlossenen Frauen und Männern bestanden.

Praktische Implikationen: Um eine qualitativ hochwertige und gerechte Versorgung zu ermöglichen, sollte für bestehende Geschlechterungleichheiten in der Diagnose und Behandlung sensibilisiert werden. Zudem sollten Maßnahmen entwickelt werden, welche einer Verringerung dieser Ungleichheiten ermöglichen.