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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Implementierung eines integrierten Rückenschmerzenversorgungskonzeptes – eine Beobachtungsstudie mit Primär- und Sekundärdaten (Rise-uP, Rücken innovative Schmerztherapie mit e-Health für unsere Patienten)

Meeting Abstract

  • Linda Kerkemeyer - inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH, Berlin
  • Ana Sofia Goncalves - inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH, Berlin
  • Christine Schiessl - Algesiologikum, Tagesklinik für Schmerzmedizin, München
  • Volker Amelung - inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH, Berlin
  • Thomas Tölle - Klinikum rechts der Isar – Technische Universität München, Zentrum für interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZIS), München

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf192

doi: 10.3205/18dkvf192, urn:nbn:de:0183-18dkvf1926

Published: October 12, 2018

© 2018 Kerkemeyer et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland gehören Rückenschmerzen (ICD10 M54) zu den häufigsten Diagnosen in Praxen von Allgemeinmedizinern. Nach Angaben des Ärztemonitors der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lag das Patientenaufkommen in einer Hausarztpraxis bei 52 Patienten pro Tag, wovon nach Expertenschätzungen 2-3 Patienten unten Rückenschmerzen leiden. Rückenschmerzen sind die zweitwichtigste Einzeldiagnose hinsichtlich Arbeitsunfähigkeit. Laut einer repräsentativen Befragung der DAK, hatten 75% von 2,5 Millionen erwerbstätigen Versicherten in 2017 mindestens einmal Rückenschmerzen.

Trotz der Verfügbarkeit von mehreren Diagnose-Tools und Therapiemöglichkeiten ist die Behandlung von Patienten mit Rückenschmerzen oft durch eine Fehl-, Über- und Unterversorgung gekennzeichnet. Dies führt sowohl zu einer eingeschränkten Lebensqualität als auch zu steigenden Gesundheitskosten.

Fragestellung: Ziel ist es, eine neue Versorgung zu implementieren, die insbesondere eine Chronifizierung von Rückenschmerzen vermeiden soll. Die Grundidee des vorliegenden Interventionskonzeptes besteht darin, die derzeit fragmentierten Strukturen bei der Behandlung von Rückenschmerzpatienten aufzuheben und in Behandlungspfaden neu zu ordnen.

Dabei soll untersucht werden, ob Rise-uP zu einer Steigerung der Versorgungsqualität von Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen im Vergleich zur Regelversorgung beitragen kann.

Methode: Die Komplexität dieser neuen Intervention sowie die Heterogenität der Rückenschmerzpatienten (sowohl hinsichtlich der Beeinträchtigungen als auch hinsichtlich der Patientenkollektive) erfordert ein umfassendes Evaluationsdesign Rise-uP ist eine prospektive Kohortenstudie mit einer Interventionsgruppe und einer Kontrollgruppe im Sinne einer Beobachtungsstudie (Versorgungsforschungsstudie), deren Beobachtungszeitraum 12 Monate beträgt. Die Evaluation erfolgt mittels Primärdaten aus mehreren validierten Fragebögen, sowie Sekundärdaten in Form von Daten aus einer Gesundheits-App (Kaia) und GKV-Routinedaten von drei beteiligten Krankenkassen.

Primärer, fallzahlrelevanter Endpunkt ist das Schmerzniveau der Patienten, das mit einem Schmerzindex (Visual Analogue Scale, VAS) gemessen wird. Daneben werden schmerzbedingte Beeinträchtigung, Lebensqualität, Auftreten ängstlicher und depressiver Symptomatik und Ausübung von Alltagstätigkeiten mittels validierten Fragebögen erhoben. Die GKV-Routinedaten dienen zum einen zur Abbildung des Ressourcenverbrauchs der Patienten (u.a. Arztkontakte, bildgebende Diagnostik etc.) und deren Gesamtkosten. Diese werden patientenbezogen und pseudonymisiert den Primärdaten zugespielt und für die wissenschaftliche Auswertung miteinander verknüpft. Ferner soll die Adhärenz sowie Gesundheitskompetenz der Teilnehmer durch die Log-Files der Kaia App analysiert werden. Im Rahmen einer gesundheitsökonomischen Auswertung wird überprüft, ob eine signifikante Veränderung der gesamten Versorgungskosten besteht. Des Weiteren wird eine inkrementelle Kosteneffektivitäts-Analyse durchgeführt. Bei der inkrementellen Kosteneffektivitäts-Analyse werden die Kosten pro reduziertem Schmerzindex errechnet.

Ergebnisse: Die Rekrutierung der Hausärzte erfolgt in vier Regionen in Bayern und wurde im Dezember 2017 abgeschlossen. Insgesamt konnten aktuell 224 Patienten (Interventionsgruppe: 185, Kontrollgruppe: 39) für die Versorgungsforschungsstudie rekrutiert werden (Stand 16.03.2018). Die Rekrutierung von Patienten läuft bis März 2019.

Diskussion: Die Intervention enthält einem Stratifizierungsprozess, der es den Teilnehmern ermöglicht, eine Behandlung zu erhalten, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Somit ermöglicht die Verwendung eines Stratifikations-Assessment-Tools in Rise-uP die Schichtung auf niedriges, mittleres und hohes Risiko für chronische Rückenschmerzen. Ferner sensibilisiert es für (sub)akute Rückenschmerzen, die in der Literatur bisher weniger untersucht wurden als chronische Rückenschmerzen. (Sub-)akuter Rückenschmerz kann zur Chronifizierung der Erkrankung führen, daher sollten Frühsymptome im Fokus stehen, um z.B. Einschränkungen in der Lebensqualität und weitere (hohe) Behandlungskosten zu vermeiden.

Praktische Implikationen: Rise-uP soll eine vernetzte und e-basierte Behandlung und Dokumentation von (sub)akuten Rückenschmerzen – angelehnt an die Nationale Versorgungsleitlinie, die alle Elemente der interprofessionellen (mit Hausärzten, Fachärzten, speziellen Schmerzmedizinen) und multimodalen Schmerztherapie beinhaltet – gewährleisten.

Es wird erwartet, dass diese Studie Informationen über die Wirksamkeit von interprofessionellen Versorgungsprogrammen für Rückerschmerzen – im Hinblick auf die Verbesserung des Schmerzniveaus, der Lebensqualität und die Verringerung des Ressourcenverbrauchs und der damit verbundenen Kosten – liefert.

Finanzierung: Das Projekt wird aus Mitteln des Innovationsfonds gefördert (Förderkennzeichen: 01NVF16014).