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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Die ärztliche Beratung Erwachsener in Deutschland aus Bevölkerungssicht. Ergebnisse einer Querschnittsbefragung aus dem Jahr 2017

Meeting Abstract

  • Susanne Jordan - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Anne Starker - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Angelika Schaffrath Rosario - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Julia Truthmann - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Kerstin Horch - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf191

doi: 10.3205/18dkvf191, urn:nbn:de:0183-18dkvf1918

Published: October 12, 2018

© 2018 Jordan et al.
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Text

Hintergrund: Die ärztliche Gesundheitsberatung ist eine wichtige Aufgabe in der Arzt-Patient-Kommunikation. Für die meisten Patienteninnen und Patienten gilt der Arzt bzw. die Ärztin als Hauptansprechpartner in gesundheitlichen Fragen, sie gehen mindestens einmal im Jahr in die Praxis. Dort kann eine bedarfsgerechte Präventionsempfehlung zum Gesundheitsverhalten ausgesprochen werden. Studien über strukturierte Kurzberatungen in Arztpraxen zeigten, dass die ärztliche Gesundheitsberatung zum Gesundheitsverhalten eine Verhaltensänderung erreichen kann, zumindest kurz- oder mittelfristig, wenngleich zumeist nur geringe Effekte beobachtbar wurden und nicht alle Studien Wirkungen nachweisen konnten. Mit dem 2015 verabschiedeten Präventionsgesetz wurde die ärztliche Gesundheitsberatung durch die Möglichkeit einer ärztlichen Präventionsempfehlung gestärkt.

Fragestellung: Ziel der Studie ist die Beschreibung der Häufigkeit ärztlicher Beratung zu verschiedenen Gesundheitsverhalten und damit verbundener Verhaltensänderungen aus Sicht der Patientinnen und Patienten.

Methode: Die Analysen basieren auf Daten einer Querschnittsbefragung der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 18 Jahren. Die Erhebung wurde von Juni bis September 2017 durchgeführt. Es wurde eine Telefonstichprobe aus Festnetz- und Mobilfunknummern gezogen. Insgesamt konnten 5.053 Personen telefonisch befragt werden. Die Response betrug 17,2%. Die Analysen wurden mit einem Gewichtungsfaktor durchgeführt, der das Stichprobendesign berücksichtigt und die Stichprobenzusammensetzung der Bevölkerungsstruktur Deutschlands anpasst. Befragte, die Angaben in den letzten 12 Monaten in einer Arztpraxis oder Ambulanz gewesen zu sein, wurden gefragt, ob sie zum Gesundheitsverhalten beraten wurden. Es wurden folgende Aspekte des Gesundheitsverhaltens erfragt: Ernährung, Gewicht, sportliche Aktivität, Rauchen, Impfschutz, Alkoholkonsum, Stressbewältigung. Wenn eine Beratung bejaht wurde, dann wurde zusätzlich erfragt, ob sie dadurch das jeweilige Gesundheitsverhalten geändert haben. Es wurden die Beratungshäufigkeit stratifiziert nach Geschlecht, Alter (18-29, 30-44, 45-64, 65 Jahre und älter), Bildung (niedrige, mittlere, höhere) berechnet. Die Kreuztabellenanalysen wurden mit Survey-Prozeduren des Statistikprogramms SAS berechnet.

Ergebnisse: Die Befragten gaben am häufigsten an, in den letzten 12 Monaten beim Arztbesuch zum Impfschutz beraten worden zu sein (42%; 95%-KI=40,0–44,0). Weniger als ein Drittel nannte eine Beratung zur sportlichen Aktivität (28,6%; 95%-KI=26,8–30,4) und circa ein Fünftel zur Ernährung (23,3%; 95%-KI=21,7–25,1), zum Körpergewicht (19,8%; 95%-KI=17,1–20,2) und zur Stressbewältigung (18,6%; 95 %-KI=18,2–21,5). Deutlich seltener wurden ärztliche Beratungen zum Rauchen (13,3%; 95%-KI=12,0–14,8) und Alkoholkonsum (7,3%; 95%-KI= 6,3–8,4) angegeben. Signifikante Geschlechtsunterschiede wurden bei vier Beratungsthemen gefunden. Beim Körpergewicht, beim Rauchen und beim Alkoholkonsum waren die berichteten Beratungen bei Männern häufiger als bei Frauen, bei dem Thema Stressbewältigung war es umgekehrt. Hinsichtlich der verschiedenen Altersgruppen fällt auf, dass die beiden höheren Altersgruppen häufiger Beratungen angaben, wobei dies nicht auf die über 64-Jährigen bei den Themen Rauchen, sportliche Aktivität und Stressbewältigung zutraf. Personen mit niedriger Bildung berichteten häufiger über eine Beratung zur Ernährung, zum Ge-wicht, zum Rauchen oder zum Alkoholkonsum, beim Thema Stressbewältigung aber seltener. Die Frage nach einer Verhaltensänderung aufgrund der Beratung beantworteten je nach Gesundheitsverhalten zwischen 25,4% (beim Rauchen) und 70,6% (bei der Stressbewältigung) der Befragten positiv (Ernährung: 64,9%; Gewicht: 64,2, sportliche Aktivität: 55,6%; Impfen: 46,8%; Alkoholkonsum: 42%).

Diskussion: Nur ein geringer Anteil von Patientinnen und Patienten, die in den letzten 12 Monaten in einer Arztpraxis oder Ambulanz gewesen waren, gaben an, dort ärztlich zu ihrem Gesundheitsverhalten beraten worden zu sein. Aber es gibt Hinweise, dass sich der Anteil in den letzten Jahren erhöht hat, so berichteten für 2008-2011 nur jede/r Zehnte von einer ärztlichen Beratung zum Thema Bewegung. Die mit dem Präventionsgesetz verbundene Stärkung der ärztlichen Präventionsempfehlung und der Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung können zu dem Anstieg beigetragen haben, aber um diese Beobachtung zu bestätigen, bedarf es weiterer Studien. Eine Limitation dieser Studie liegt in der niedrigen Stichprobenausschöpfung, die aber durch die verwendete Gewichtungsprozedur statistisch ausgeglichen wurde, um einem möglichen Selektionsbias entgegenzuwirken.

Praktische Implikationen: Die beschriebenen geschlechts-, alters- und bildungsbezogenen Unterschiede geben Hinweise auf ein weiteres Beratungspotenzial, besonders da fast die Hälfte der Befragten anlässlich der Beratung eine Änderung ihres Gesundheitsverhaltens vermerken.