Article
„Put me in a wheelchair, get me on a plane“ – Welche Ansprüche stellt die Wirtschaftswundergeneration an die Pflegeversorgung?
Search Medline for
Authors
Published: | October 12, 2018 |
---|
Outline
Text
Hintergrund: Die metropolferne Region Bodensee-Oberschwaben erlebt seit Jahrzehnten einen Aufschwung zu einer der prosperierendsten Wirtschaftsregionen mit niedriger Arbeitslosenquote und stetiger Zuwanderung [1]. Aktuell leben in der Region 60.921 Personen im Alter zwischen 65 und 75 Jahren, die diesen wirtschaftlichen Aufschwung trotz der geographischen Abgeschiedenheit geprägt und gestaltet haben. Sozialisiert wurde diese ‚Macher-Generation‘ nicht zuletzt auch durch die 68er-Bewegung und dem daraus resultierenden Drängen nach Selbstbestimmtheit. Anzunehmen ist, dass diese Generation auch eine andere Erwartungshaltung an Pflegeversorgung hat, wodurch sich die Anforderungen und Bedarfe an die zukünftige Gestaltung der Pflege ändern werden. Die Pflege der Zukunft wird im Wesentlichen durch eine ausdifferenzierte Nachfrage geprägt sein, die den heterogenen Versorgungspräferenzen von Pflegehaushalten und -bedürftigen entsprechen müssen [2]. Gegenwärtig wird die Pflege älterer Menschen vorrangig von Angehörigen übernommen, die teilweise selbst zunehmend unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden [3]. Es muss jedoch mit einem deutlichen Rückgang des familiären Pflegepotentials gerechnet werden. Bereits heute zeichnet sich eine steigende Nachfrage professioneller Pflegedienstleistungen ab [4], [5]. Zudem stellen ländlich geprägte Regionen, wie die Region Bodensee-Oberschwaben, ganz eigene strukturelle Herausforderungen an Kommunalpolitik und Pflegebranche.
Fragestellung: Welche Vorstellungen von guter Pflege im Allgemeinen und welche Erwartungen an eine eigene mögliche Pflegeversorgungssituation im Besonderen hat die Wirtschaftswundergeneration in der vorwiegend ländlich strukturierten Region Bodensee-Oberschwaben?
Methode: Die Studie ist im Mixed-Methods-Design konzipiert. In der quantitativen Befragung wird mittels eines einfachen Stichprobenverfahrens mit Daten der Einwohnermelderegister aus den Gemeinden der Region Bodensee-Oberschwaben eine repräsentative Stichprobe (z.B. Alter, Geschlecht) aus der Grundgesamtheit der 65 bis 75-Jährigen gezogen (kalkulierte Stichprobengröße n=2.500). Im Rahmen der postalischen Befragung sollen die individuellen Einstellungen und Erwartungen der Bevölkerung dieser Jahrgänge zur eigenen möglichen Pflegeversorgungssituation untersucht werden, die sich in den Themenbereichen Gesundheit, soziale Beziehungen, Lebensqualität, Alter(n)sbilder, Wohnen, Alter(n) & Technik sowie der vorhandenen Infrastruktur konkretisieren.
Anschließend werden leitfadengestützte Interviews geführt, um Erkenntnisse der schriftlichen Befragung zu erweitern und fundieren. Mittels Profil-Sampling werden Vertreter*innen dieser Subgruppen identifiziert, um die Heterogenität an Lebenslagen und Pflegepräferenzen abzubilden.
Relevanz der geplanten Studie und praktische Implikationen: Die Debatte um die Stärkung und Sicherung der Pflege ist aktueller denn je. Neben der gegenwärtigen und zukünftigen Verbesserung der (finanziellen) Situation von Pflegekräften, müssen zwingend die Bedürfnisse der kommenden pflegenahen Generationen berücksichtigt werden. Ob und wie sich Lebensentwürfe der Wirtschaftswundergeneration im Vergleich zur aktuell pflegebedürftigen ‚Erdulder-Generation‘ auf Erwartungshaltungen und Ansprüche hinsichtlich der eigenen Pflege auswirken, ist bislang unbekannt.
Die geplante Studie soll hierzu erste Ergebnisse generieren, um es z.B. Pflegeunternehmen und Kommunen zu ermöglichen, zukunftsorientierte, tragfähige Konzepte zu entwickeln und bestehende Angebote und Strukturen rechtzeitig auf die Bedürfnisse und Anforderungen kommender Adressat*innen anzupassen.
Literatur
- 1.
- Danielzyk R, Köhler S, Friedsmann P. Bodensee-Oberschwaben. Eine erfolgreiche Region fernab der Großstädte. Standort. 2017;41(3):186–94.
- 2.
- Schmidt R. Zukunft der Pflege: Morbiditätsentwicklung und Familienstrukturen als Anforderungen für die zukünftige Gestaltung der Pflege. BdW. 2016;163(1):3–5.
- 3.
- Wetzstein M, Rommel A, Lange C. Pflegende Angehörige - Deutschlands größter Pflegedienst. Berlin: Robert Koch-Institut; 2015.
- 4.
- Geyer J, Schulz E. Who cares? Die Bedeutung der informellen Pflege durch Erwerbstätige in Deutschland. DIW Wochenbericht. 2014;81(14):294–301.
- 5.
- Blinkert B, Klie T. Gesellschaftlicher Wandel und demographische Veränderungen als Herausforderungen für die Sicherstellung der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen. Sozialer Fortschritt. 2011;53(11-12):319–25.