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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Herausforderungen der Implementierung von technischen Assistenzsystemen in der Pflege. Eine qualitative Studie von fördernden und hemmenden Faktoren aus Perspektive der Forschung und Lehre

Meeting Abstract

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  • Patrick Eder - Universität Heidelberg, Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft im Gesundheitswesen, Heidelberg
  • Lukas Degen - Universität Heidelberg, Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft im Gesundheitswesen, Heidelberg
  • Anja Öchsle - Universität Heidelberg, Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft im Gesundheitswesen, Heidelberg
  • Stefan Nöst - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Heidelberg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf183

doi: 10.3205/18dkvf183, urn:nbn:de:0183-18dkvf1834

Published: October 12, 2018

© 2018 Eder et al.
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Hintergrund: Technische Assistenzsysteme, wie beispielsweise Pflegebrillen oder Sturzmatten, können sowohl Pflegende, als auch pflegebedürftige Menschen im Alltag unterstützen. Sie wirken einer kritischen Erschöpfung alltagsrelevanter Fähigkeiten und Fertigkeiten von Hilfsbedürftigen unaufdringlich entgegen [1]. Der bedarfsgerechte Ein-satz von technischen Assistenzsystemen fördert die Autonomie, stellt soziale Teilhabe sicher und ermöglicht somit ein aktives Altern. Trotz einer zunehmenden Entwicklung und einer voranschreitenden Verbesserung von Technischen Assistenzsystemen, lässt sich mit Blick auf die Nutzung im Alltag eine eher zögerliche Verbreitung feststellen [2], [3]. Bisher bleibt unklar, warum Technische Assistenzsysteme den Weg in die Regelversorgung nicht finden, ob-wohl ein augenscheinlich hohes Nutzenpotential für die Pflege erkennbar ist [4].

Fragestellung: Welche fördernde und hemmende Faktoren sowie mögliche Wirkungszusammenhänge auf Systemebene bestehen hinsichtlich der Implementierung von technischen Assistenzsystemen in der Pflege?

Methode: In einer ersten explorativen Untersuchung wurden drei leitfadengestützte, semi-strukturierte Experteninterviews mit Forschenden und Lehrenden durchgeführt. Der Interviewleitfaden orientierte sich dabei an einem idealtypischen Forschungs- und Entwicklungsprozess eines Technischen Assistenzsystems. Die wörtlich transkribierten Interviews wurden mittels der Methode des theoretischen Kodierens [5] unter Berücksichtigung des Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR) Rahmenmodells [6] mit MAXQDA 12 ausgewertet.

Ergebnisse: Technische Assistenzsysteme werden von den interviewten Expert/innen als komplexe sozio-technische Artefakte wahrgenommen. Folgende zentrale Dimensionen und Wirkungszusammenhänge hinsichtlich der Implementierung wurden aus dem Datenmaterial herausgearbeitet: 1) Ein fehlender, fachübergreifender Konsens über zentrale Begrifflichkeiten wird als ausgeprägte, forschungsbezogene Barriere erlebt. 2) Das Konsortium eines interdisziplinären Forschungsprojektes ist geprägt durch eine Heterogenität der involvierten Denkkollektive, welche sich in der Ausprägung der jeweiligen Fachdisziplinen manifestieren. 3) Kreativitäts- und Konzeptionsmethoden sowie ein früher Feldzugang mit Nutzerpartizipation finden bislang zu selten Berücksichtigung im Forschungsprozess. 4) Es besteht eine Diskrepanz hinsichtlich a) der Passung der vorherrschenden Methode der Nutzenbewertung seitens der Kostenträger und b) dem Verhältnis von Output und Outcome eines innovativ und partizipativ angelegten Forschungs- und Entwicklungsprozesses.

Diskussion und praktische Implikationen: Es existiert eine Vielzahl von Determinanten, die die Implementierung von Technischen Assistenzsystemen in den Pflegealltag beeinflussen und die gleichzeitig durch Versorgungsforschung prinzipiell modifizierbar sind. Neben dem sich daraus ergebenden Forschungsbedarf besteht Handlungsbedarf in der Supervision inter-disziplinär ausgerichteter Projektkonsortien sowie in der Entwicklung von neuen Werkzeugen und Methoden der Nutzenbewertung von Technischen Assistenzsystemen.


Literatur

1.
Calvaresi D, Cesarini D, Sernani P, et al. Exploring the ambient assisted living domain: a systematic review. Journal of Ambient Intelligence and Humanized Computing. 2017;8(2):239-57.
2.
Braun A, Kirchbuchner F, Wichert R. Ambient Assisted Living. In: Fischer F, Krämer A, editors. eHealth in Deutschland: Anforderungen und Potenziale innovativer Versorgungsstrukturen. Berlin, Heidelberg: Springer; 2016. p. 203-22.
3.
Karbach P, Reiher M. Digitalisierung in den Versorgungssektoren: Aktueller Stand und Perspektiven. In: Pfannstiel MA, Da-Cruz P, Mehlich H, eds. Digitale Transforma-tion von Dienstleistungen im Gesundheitswesen I: Impulse für die Versorgung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; 2017. p. 239-48.
4.
Liesenfeld J, Loss K. Innovative AAL- und E-Health-Dienstleistungen: Zusammenhänge zwischen technologischen Entwicklungen, Geschäftsmodellen und Governance. In: Gersch M, Liesenfeld J, eds. AAL- und E-Health-Geschäftsmodelle: Technologie und Dienstleistungen im demografischen Wandel und in sich verändernden Wertschöp-fungsarchitekturen. Wiesbaden: Gabler Verlag; 2012. p. 265-85.
5.
Strauss A, Corbin J. Basics of qualitative research, grounded theory procedures and techniques. London: Sage; 1990.
6.
Damschroder LJ, Aron DC, Keith RE, et al. Fostering implementation of health services research findings into practice: a consolidated framework for advancing imple-mentation science. Implement Sci. 2009;4:50.