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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Pflegepraxiszentrum Nürnberg: Ein Standort zur systematischen Untersuchung von Innovationsbarrieren bei Technologien im Pflegebereich

Meeting Abstract

  • Michael Schneider - Wilhelm Löhe Hochschule Fürth, Forschungsinstitut IDC, Fürth
  • Jürgen Zerth - Wilhelm Löhe Hochschule Fürth, Forschungsinstitut IDC, Fürth
  • Sebastian Müller - Wilhelm Löhe Hochschule Fürth, Forschungsinstitut IDC, Fürth
  • Christian Bauer - Hochschule Würzburg-Schweinfurt, Institut Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanagement, Schwabach
  • Peter Bradl - Hochschule Würzburg-Schweinfurt, Institut Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanagement, Schwabach
  • Tim Loose - Hochschule Würzburg-Schweinfurt, Institut Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanagement, Schwabach

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf182

doi: 10.3205/18dkvf182, urn:nbn:de:0183-18dkvf1828

Published: October 12, 2018

© 2018 Schneider et al.
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Text

Hintergrund: Digitale Lösungen und assistive Technologien können dazu beitragen, bedarfsgerechter und patientenzentrierter zu pflegen, Pflegekräfte zu entlasten und Freiräume für persönliche Zuwendung zu schaffen. Daher wurden für technische und digitale Innovationen in der Kranken- und Altenpflege bereits viele Fördermittel bereitgestellt (z.B. Pflegeinnovationen; Mensch-Technik-Interaktion). Die Technologien werden bislang aber nur vereinzelt in den pflegerischen Alltag integriert. Das BMBF hat 2017 den Cluster ""Zukunft der Pflege"" gestartet, in dem vier Pflegepraxiszentren (PPZ) mit einem Pflegeinnovationszentrum zusammenwirken. Für das PPZ-Nürnberg hat sich ein interdisziplinärer Verbund pflegepraktischer und wissenschaftlicher Einrichtungen aus der Metropolregion Nürnberg gebildet.

Fragestellung: Die zentrale Hypothese des PPZ-Nürnberg lautet, dass die mangelnde Integration sowie Dissemination technischer Lösungen nicht in erster Linie an der technischen Innovationshöhe liegt, sondern Barrieren auf der Handlungs- und Organisationsebene sowie mangelnde Überzeugung bzgl. Standardisierbarkeit und somit der Komplementarität und Integrationsfähigkeit von Technologien ursächlich sind. Das Pflegepraxiszentrum Nürnberg verfolgt in der Förderphase (2018-2022) drei zentrale Zielsetzungen:

1.
Den Aufbau einer Testinfrastrukur, die in realen Pflegesettings im Sinne partizipativer Anwendungsforschung stakeholderorientierte Bewertungsprozesse möglich macht.
2.
Entwicklung eines umfassenden Evaluationsansatzes, der Innovationsbarrieren in unterschiedlichen Pflegekontexten im Sinne einer komplexen Intervention berücksichtigt.
3.
Ableitung von Lehrinhalten zum Lernfeld „Innovation in der Pflege“ für die Aus- Fort- und Weiterbildung von Pflegenden deren Implementierung und Evaluation.

Methode: Das Zusammenspiel zwischen personaler Struktur, organisatorischem Kontext und institutioneller Passung einer Pflegeorganisation spielt eine wesentliche Rolle zur Beurteilung einer Praxis- und Alltagstauglichkeit. Es müssen deshalb Analogien zum „Through-Put-Model“ der Versorgungsforschung bei der Bewertung von Produkt-Dienstleistungskombinationen berücksichtigt werden. Der Vergleich mit der bestehenden Bewertung komplexer Interventionen erscheint angemessen. Zur prädiktiven Beurteilung eines derartigen Outcome-Verständnisses wird deshalb ein Bewertungsansatz entwickelt, der dazu beitragen soll, die Unsicherheiten hinsichtlich der Effektivität, der Akzeptanz des Einsatzes sowie der Effizienz technischer Innovation in unterschiedlichen Pflegesettings zu reduzieren. Die notwendige Mehrdimensionalität bildet ein ELSI+-Ansatz ab, der ethische (ethical), rechtliche (legal), soziale und gesundheitsökonomischer Aspekte (social) mit der einzelwirtschaftlichen Einordnung der Tragfähigkeit (economical) sowie der Analyse pflegepraktischer (praktical) und technischer (technical) Umsetzungsfähigkeit kombiniert.

Erwartete Ergebnisse: Ziel des ELSI+-Ansatzes ist ein wissenschaftlich-fundiertes Evaluationsmodell, das unterschiedliche Systemebenen (Makro-, Meso- und Mikroebene) abbildet. Außerdem muss es in der Lage sein, mit fragestellungsabhängiger Mess- und Bewertungsmethodik ein standardbildendes Bewertungsraster für die Praxis- und Alltagstauglichkeit abzubilden, um Eintritts- und Akzeptanzschranken für Pflegetechnologien im Sinne einer versorgungsorientierten Perspektive zu senken.

Diskussion: Ein zentrales Zukunftsfeld der Pflege ist die Integration technischer Lösungen in den Pflegealltag. Der derzeitige Entwicklungsstand von technischen Pflegeinnovationen zeigt, dass der enge Fokus auf die technische Entwicklung nicht ausreicht, um tragfähige Systeme zu entwickeln. Eine Systematik zur Einschätzung der Wirkungen von Produkt- Dienstleistungskonstellationen in der Pflege benötigt eine Auseinandersetzung sowohl mit den Stakeholdern im Pflegemarkt, dem Aufbau elaborierten und entscheidungsrelevanten Handlungswissens der Pflegeakteure sowie eine Abbildung der Vor- und Nachteile der technischen Innovation im Workflow des Pflegeprozesses.

Praktische Implikationen: Die Fragestellung adressiert ein konkretes anwendungsorientiertes Versorgungsproblem in der Pflege. Das PPZ-Nürnberg testet in der fünfjährigen Projektlaufzeit technische Innovationen in der ambulanten, der stationären und der akutstationären Pflege und erhöht durch den umfassenden und systematischen Evaluationsansatz zukünftige Marktchancen von Technologien in der Pflege.