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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Der Einfluss sozioökonomischer Faktoren der Wohnregion auf Kompression und Expansion der Pflegebedürftigkeit in Deutschland 2001–2009

Meeting Abstract

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  • Daniel Kreft - Universität Rostock, Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels, Rostock
  • Gabriele Doblhammer - Universität Rostock, Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels, Rostock

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf181

doi: 10.3205/18dkvf181, urn:nbn:de:0183-18dkvf1817

Published: October 12, 2018

© 2018 Kreft et al.
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Hintergrund: Demografische und Gesundheitstrends in den Wohlfahrtsstaaten führen zu ausgeprägten Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung, welche wiederum versorgungsstrukturelle Anpassungen erfordern. Diese Bevölkerungsveränderungen variieren jedoch auch stark zwischen den Regionen innerhalb der Nationalstaaten.

Fragestellung: Ziel der Studie ist es mittels administrativer Vollerhebungsdaten, die regionalen Unterschiede und regional unterschiedlichen Veränderungen des Bezugs von Pflegegeld und Pflegeleistungen für die Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland mit unterschiedlichem wirtschaftlichen Wohlstand und unterschiedlicher Siedlungsstruktur aufzudecken.

Daten und Methoden: Aufbauend auf Daten der Bevölkerungsfortschreibung und der Pflegestatistik 2001, 2003, 2007 und 2009 werden mittels der Sullivan-Methode Lebensjahre mit und Pflegebedarf errechnet. Das Health Ratio - der Anteil der pflegefreien an der Gesamtlebenserwartung - und dessen zeitliche Veränderung ermöglichen die Ermittlung von Kompression oder Expansion des Pflegebedarfs. Die zeitlichen Veränderungen des Health Ratios werden mittels gewichteter linearer Regressionsmodelle geschätzt. Die Berechnungen erfolgen für das Alter 65+ getrennt nach Pflege allgemein und schwere Pflege jeweils für Regionstypen nach Einkommen der privaten Haushalte pro Kopf und Einwohnerdichte (Kategorien: 20% geringste, 40% mittlere, 40% höchste Werte).

Ergebnisse: Es zeigt sich für ländliche und mittelstädtische Regionen ein klarer Unterschied in den Trends des Health Ratios: Im Falle allgemeiner Pflege kann eine Expansion ausgemacht werden, die am Höchsten für ländliche, strukturschwache Regionen (-1,86 Prozentpunkte [PP], p < 0.001) und am Schwächsten für wohlständische, mittelstädtische Regionen (-0,07 PP, p=0.816) ist. Bei schwerer Pflege können stabile Werte (dynamisches Gleichgewicht) bis leichte Kompression (bis zu 0,52 PP in reichen, mittelständischen Regionen, p < 0.001) gezeigt werden; jedoch eine Expansion der Jahre mit schwerem Pflegebedarf für strukturschwache, ländliche Räume (-0,55 PP, p < 0.001). Innerhalb der ländlichen und mittelstädtischen Regionen ist ein deutlicher sozialer Gradient auszumachen, während dieser bei urbanen Regionen nicht auffindbar ist. Zusätzlich stieg der soziale Gradient bei allgemeiner und bei schwerer Pflegestufe am Stärksten in ländlichen Regionen, schwächer in mittelstädtischen Regionen an und blieb nahezu unverändert in urbanen Regionen.

Diskussion: Wirtschaftlich schwache und ländliche Regionen zeigen unvorteilhaftere Pflegetrends als wirtschaftlich starke und hochurbanisierte Regionen. Dies ist ein Indikator für ein unterschiedliches Inanspruchnahmeverhalten von Pflege-/-geldleistungen, selektiver Mortalität und Wanderung und unterschiedlicher Folgen gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen und Lebensverhältnisse.

Praktische Implikationen: Ärmere, ländliche Räume stehen vor großen versorgungs(infra)strukturellen Herausforderungen beim Umgang mit mehr Pflegebedürftigen, was vor allem im Fall der schweren Pflege große Anforderungen an die pflegenden Angehörigen und Einrichtungen stellt und zunehmend stellen wird.