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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Herausforderungen im ambulanten Suchthilfesystem: Kohorten-, Perioden- und Alterseffekte der Inanspruchnahme unter besonderer Berücksichtigung der „Babyboomer“-Generation

Meeting Abstract

  • Sara Specht - IFT Institut für Therapieforschung München, Therapie- und Versorgungsforschung, München
  • Ludwig Kraus - IFT Institut für Therapieforschung München, München
  • Daniela Piontek - IFT Institut für Therapieforschung München, Epidemiologie und Diagnostik, München
  • Manfred Wildner - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Landesinstitut für Gesundheit, Oberschleißheim
  • Barbara Braun - IFT Institut für Therapieforschung München, Therapie- und Versorgungsforschung, München

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf174

doi: 10.3205/18dkvf174, urn:nbn:de:0183-18dkvf1743

Published: October 12, 2018

© 2018 Specht et al.
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Text

Hintergrund: Der demografische Wandel ist am weitesten in einkommensstarken Ländern fortgeschritten. Die verlängerte Lebenserwartung bringt viele Jahre mit potenziellen gesundheitlichen Schwierigkeiten mit sich. Ein solches Gesundheitsrisiko kann der Konsum von psychotropen Substanzen sein. Es ist zu erwarten, dass der Anteil an älteren Personen mit substanzbezogenen Störungen größer wird. Hierbei wird die „Babyboomer“-Generation eine wichtige Zielgruppe werden. Diese großen Geburtsjahrgänge kommen ab den 2010er Jahren in die höheren Altersklassen. Von dieser Kohorte erwartet man ein anderes substanzbezogenes Konsummuster, als es in älteren Kohorten der Fall war. In ihrer Jugend waren sie Substanzen wie Alkohol, Tabak und illegalen Drogen stärker ausgesetzt als ältere Kohorten und weisen einen vergleichsweise hohen Substanzkonsum auf.

Betrachtet man solche Trends im Zeitverlauf gibt es insbesondere drei Faktoren, die Einfluss auf die Entwicklung haben können: Zeit-, Kohorten- und Alterseffekte. Bei Zeiteffekten handelt es sich um äußere Einflüsse, die auf alle Altersgruppen einer Bevölkerung zu einer gewissen Zeit einwirken. Wie diese Faktoren auf unterschiedliche Altersklassen Einfluss nehmen, schlägt sich in Kohorteneffekten nieder. Alterseffekte hingegen sind Variationen in Verbindung mit biologischen und sozialen Prozessen des Alterns.

Zielsetzung: Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Aussagen über die Kohorte der Babyboomer und die durch sie möglicherweise beeinflussten Trends im Suchthilfesystem treffen zu können. Bisher gibt es kaum Studien, die deutsche Babyboomer untersuchten. Noch weniger findet man Literatur dazu, welche Subgruppen dieser Kohorte im deutschen Suchthilfesystem ankommen. Daher sollen auch Erkenntnisse darüber gewonnen werden, in welchem Zusammenhang Veränderungen in der Inanspruchnahme des Suchthilfesystems mit Kohorten sowie mit altersbedingten und periodischen Einflüssen stehen.

Fragestellung: Anhand zweier Publikationen sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden:

Welche Spezifika weisen die Babyboomer im ambulanten Suchthilfesystem im Vergleich zur älteren und jüngeren Kohorte auf?

Welche unabhängigen Alters-, Perioden- und Kohorteneffekte gibt es in der Inanspruchnahme des ambulanten Suchthilfesystems?

Methode:

Setting

Es werden Daten der ambulanten Berliner Suchthilfestatistik von 2008 bis 2016 genutzt, bei der es sich um eine Gelegenheitsstichprobe handelt. Die Daten werden jährlich in den Berliner Suchthilfeeinrichtungen gesammelt, wobei der Deutsche Kerndatensatz als Standarddokumentation der Deutschen Suchthilfestatistik eingesetzt wird.

Publikation 1

Um die Babyboomer mit der älteren und jüngeren Kohorte zu vergleichen, werden Regressionsmodelle angewandt, um Unterschiede bei spezifischen Merkmalen zu untersuchen (Hauptdiagnose Alkohol/Opioide/Cannabis, Anzahl an substanzbezogenen Diagnosen und Geschlecht). Die Merkmale werden dabei als Outcomes in die Regressionsmodelle einbezogen, wobei die Kohortenzugehörigkeit den interessierenden Expositionseffekt darstellt. Den Ausgangspunkt bilden Modelle, die infrage kommende Einflussfaktoren beinhalten und durch Rückwärtsselektion zu möglichst sparsamen Modellen angepasst werden. Die Vorselektion der Confounder und Effektmodifikatoren entsteht durch Vorwissen aus der Berichterstattung der Suchthilfestatistik in Deutschland und explorative Voranalysen.

Publikation 2

Geplant ist eine Alters-, Perioden- und Kohortenanalyse im Hinblick auf die Trends der Inanspruchnahme des ambulanten Berliner Suchthilfesystems mit Verwendung von Einzeljahresgruppen. Mithilfe der intrinsischen Schätzer-Methode nach Yang, Fu & Land (2004) wird die lineare Abhängigkeit der drei unabhängig zu messenden Effektschätzer (Periode – Alter = Kohorte) umgangen. Als Outcome-Variable werden alle Personen gezählt, die in der ambulanten Berliner Suchthilfestatistik dokumentiert wurden. Als Expositionsvariable, d.h. als Population unter Risiko für die Inanspruchnahme des Berliner Suchthilfesystems, wird die gesamte Berliner Bevölkerung genutzt, da diese die Grundgesamtheit bildet, die das Berliner Suchthilfesystem in Anspruch nehmen kann.