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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Belastung pflegender Angehöriger und Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen: der Bayerische Demenz Survey

Meeting Abstract

  • Linda Kohlmann - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH), Erlangen
  • Franziska Nickel - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH), Erlangen
  • Nikolas Dietzel - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH), Erlangen
  • Manuela Hess - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH), Erlangen
  • Elmar Gräßel - Universitätsklinikum Erlangen, Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Erlangen
  • Peter Kolominsky-Rabas - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Interdisziplinäres Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH), Erlangen

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf160

doi: 10.3205/18dkvf160, urn:nbn:de:0183-18dkvf1603

Published: October 12, 2018

© 2018 Kohlmann et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland leben etwa 1,6 Mio. Menschen mit Demenz (MmD) [1], welche überwiegend im häuslichen Umfeld von ihren Angehörigen versorgt werden. Pflegende Angehörige sind häufig einer Vielzahl an Belastungen ausgesetzt [2], weshalb sie auch als „unsichtbarer zweiter Patient“ bezeichnet werden. Die Ursachen dieser Belastungen sind vielschichtig. Professionelle Unterstützungsleistungen können Angehörige in der Pflege entlasten. Die Inanspruchnahme solcher Angebote und das subjektive Belastungsempfinden pflegender Angehöriger werden im Folgenden im Zusammenhang betrachtet.

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Analyse ist es, das subjektive Belastungsempfinden der Angehörigen von MmD und die Inanspruchnahme professioneller Unterstützungsleistungen bezüglich der Pflege zu untersuchen.

Methode: Der Bayerische Demenz Survey (BayDem) ist eine multizentrische Längsschnittstudie, die an drei Standorten (Dachau, Erlangen, Kronach) in Bayern durchgeführt wird. Projektteilnehmer sind MmD (nach ICD-10), sowie deren pflegende Angehörige. Die Verlaufsdaten wurden in standardisierten, persönlichen Interviews in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren vor Ort erhoben.

Die Datenerhebung zur vorliegenden Fragestellung erfolgte anhand des standardisierten und validierten Erhebungsinstrumentes „Resource Utilization in Dementia“ (RUD) [3]. Der RUD erhebt u. a. die Inanspruchnahme professioneller Unterstützungsleistungen. Aus dem RUD wurden die Unterstützungsangebote „ambulante Pflege“, „Tagespflege“, „hauswirtschaftliche Hilfe“, „Essen auf Rädern“ und „Betreuungsdienste“ ausgewählt.

Das subjektive Belastungsempfinden der Angehörigen von MmD wurde mit dem standardisierten und validierten Instrument „Häusliche Pflege-Skala“ (HPS-kurz) nach Gräßel [4] untersucht.

Ergebnisse: Im Rahmen von BayDem wurden 236 pflegende Angehörige von MmD sechs Monate nach der ersten Befragung (t6) hinsichtlich ihres Belastungsempfindens und der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen untersucht.

Von den befragten Angehörigen berichten 32% (n=76) durch die Pflege des MmD gar nicht bis wenig belastet zu sein. Die Mehrheit der befragten Angehörigen gibt eine moderate bis schwere (39%, n=91) oder sehr schwere Belastung (29%, n=69) durch die Pflege ihrer Angehörigen an.

Hinsichtlich professioneller Unterstützungsleistungen nehmen 33% (n=78) „ambulante Pflege“ in Anspruch. Unterstützung in Form von „hauswirtschaftlicher Hilfe“ erhalten 17% (n=40), „Essen auf Rädern“ beziehen 7% (n=16) der Befragten. Betreuungsdienste für MmD werden von 10% in Anspruch genommen (n=24), 14% der MmD besuchen eine Tagespflege (n=32).

Diskussion: Die Ergebnisse bestätigen einerseits, dass pflegende Angehörige von MmD einer großen Belastung ausgesetzt sind. Andererseits ist die Inanspruchnahme professioneller Unterstützungsleistungen gering. Für den aufgezeigten Unterschied kommen verschiedene Gründe in Frage. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass die Unterstützungsleistung vor Ort nicht angeboten wird oder die Bedarfe der Angehörigen nicht widerspiegelt. Neben finanziellen Gründen ist zudem denkbar, dass die Angehörigen keine Informationen über die Angebote haben.

Limitierend muss festgestellt werden, dass in der vorliegenden Auswertung beeinflussende Faktoren, wie beispielsweise der Schweregrad der Demenz-Erkrankung, nicht berücksichtigt wurden.

Praktische Implikationen: Mit den Pflegestärkungsgesetzen wurden bereits wichtige Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger getroffen. Diesbezüglich bedarf es noch weiterer Maßnahmen, die den individuellen Bedarfen der MmD und deren pflegenden Angehörigen entsprechen.

Förderhinweis: Das Projekt BayDem wird durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) gefördert.


Literatur

1.
Deutsche Alzheimer-Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz. Informationsblatt 1 - Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. 2016 [Zugriff am 09.04.2018]. Verfügbar unter: https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf External link
2.
Hager K, Henneges C, Schneider E, Lieb M, Kraemer S. Alzheimer dementia: Course and burden on caregivers – Data over 18 months from German participants of the GERAS study. Nervenarzt. 2017.
3.
Wimo A, Gustavsson A, Jonsson L, Winblad B, Hsu MA, Gannon B. Application of Resource Utilization in Dementia (RUD) instrument in a global setting. Alzheimer´s & Dementia. 2013;9(4): 429-35.
4.
Pendergrass A, Malnis C, Graf U, Engel S, Graessel E. Screening for caregivers at risk: Extended validation of the short version of the Burden Scale for Family Caregivers (BSFC-s) with a valid classification system for caregivers caring for an older person at home. BMC Health Services Research. 2018;18:229.