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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Versorgung von Personen mit COPD – Methodische Qualität und inhaltliche Konsistenz evidenzbasierter Leitlinien

Meeting Abstract

  • Thomas Semlitsch - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Karl Horvath - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Cornelia Krenn - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria
  • Klaus Jeitler - Medizinische Universität Graz, Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung, Graz, Austria

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf158

doi: 10.3205/18dkvf158, urn:nbn:de:0183-18dkvf1586

Published: October 12, 2018

© 2018 Semlitsch et al.
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Text

Hintergrund: Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist weltweit die dritthäufigste Todesursache. Während sich in den letzten 50 Jahren die Mortalität z.B. aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen reduzierte, verdoppelte sich die COPD assoziierte Mortalität in diesem Zeitraum. Um eine einheitliche Versorgung von Personen mit COPD in Österreich zu ermöglichen, wurde die Entwicklung eines strukturierten Behandlungspfads COPD auf Basis internationaler Leitlinien beschlossen.

Fragestellung: Ziel des Projekts war die systematische Erhebung und vergleichende Gegenüberstellung internationaler evidenzbasierter Leitlinien zum Thema COPD, um eine Basis für die Entwicklung eines strukturierten, evidenzbasierten Behandlungspfads zu schaffen.

Methode: Die Identifizierung von Leitlinien erfolgte durch systematische Literaturrecherchen in Leitliniendatenbanken der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), des National Guidelines Clearinghouse (NGC) und des Guidelines International Network (G-I-N), bei den Leitlinienanbietern National Institute for Health and Care Excellence (NICE) und Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN), in der bibliographischen Datenbank PubMed sowie über eine ergänzende Handsuche. Einschlusskriterien waren: Erwachsene mit COPD, Empfehlungen zu Diagnose/Therapie von COPD, deutsche oder englische Sprache, Gültigkeit für Industrienationen (Weltgesundheitsbericht 2003, Stratum A), Evidenzbasierung (systematische Recherche), Aktualität (ab 2012). Die Bewertung der methodischen Leitlinienqualität erfolgte mit dem validierten AGREE-II Bewertungsinstrument. Alle formal erkennbaren Empfehlungen mit Relevanz für die Primärversorgung wurden unter Angabe des Empfehlungsgrads extrahiert. In einer Leitliniensynopse wurden die Empfehlungen thematisch gruppiert und einander vergleichend gegenübergestellt, um konsistente bzw. abweichende Empfehlungen zwischen den Leitlinien zu identifizieren. Alle Arbeitsschritte erfolgten durch zwei Reviewer unabhängig voneinander.

Ergebnisse: Die Recherchen in den Leitliniendatenbanken sowie in PubMed ergaben nach De-Duplizierung insgesamt 743 Treffer, wovon 671 im Titel/Abstract-Screening ausgeschlossen wurden. Nach Ausschluss von 53 weitere Arbeiten auf Volltextebene verblieben letztlich 19 relevante Publikationen, die 13 unterschiedlichen Leitlinien zu COPD zugeordnet werden konnten. Nur 3 der eingeschlossenen Leitlinien befassten sich generell mit Prävention, Diagnose und Therapie der COPD. Jeweils 2 Leitlinien behandelten die pneumologische Rehabilitation, die Sauerstofftherapie sowie Prävention bzw. Therapie von Exazerbationen. Weitere Themen in einzelnen Leitlinien waren: Rauchverzicht bei COPD, Screening und Therapie bei α1-Antitrypsin-Mangel -Mangel, Beatmung bei COPD sowie Husten generell. Die Gesamtqualität der Leitlinien konnte großteils als moderat bis gut bewertet werden (mittlerer AGREE-II Score 5,0 ± 1,2). Allerdings war bei jenen Leitlinien, die sich mit dem gesamten Management der COPD befassten, die methodische Qualität in 2 von 3 Fällen gering. Insgesamt konnten aus den eingeschlossenen Leitlinien 398 relevante Empfehlungen für die Primärversorgung identifiziert werden. Rund 36% der Empfehlungen waren dabei als starke Empfehlungen gekennzeichnet. Im Zuge der Leitliniensynopse konnten die Empfehlungen insgesamt 9 übergeordneten Themenbereichen zugeordnet werden (Diagnose und Assessment; Nicht-medikamentöse Therapien/Raucherberatung; Impfprophylaxe; Therapie von Exazerbationen; Inhalative Therapie bei stabiler COPD; Weitere medikamentöse Therapie bei stabiler COPD; Sauerstofftherapie bei stabiler COPD; Pneumologische Rehabilitation; Palliative Versorgung). Insgesamt war dabei festzustellen, dass es nur wenige inhaltliche Widersprüche in den Empfehlungen der eingeschlossenen Leitlinien gab. Diskrepante Empfehlungen lagen lediglich hinsichtlich der Kriterien für die Durchführung einer Spirometrie wegen Verdacht auf COPD sowie für die Indikation einer Pneumokokken-Impfung vor.

Diskussion: Insgesamt zeigte sich, dass zwar mehrere internationale evidenzbasierte Leitlinien zum Thema COPD vorliegen, jedoch sich aktuell nur 3 davon mit der Versorgung generell befassen. Wesentliche evidenzbasierte Leitlinien dazu wie z.B. die Deutsche Nationale Versorgungsleitlinie und die Leitlinie der NICE befinden sich derzeit in Überarbeitung. Auf Grund der weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung sowie Zahl an Empfehlungen mit starkem Empfehlungsgrad ist die Verlässlichkeit dieser Empfehlungen in den aktuellen Leitlinien als ausreichend hoch anzusehen.

Praktische Implementierung: Die Ergebnisse der Leitliniensynopse dienten in weiterer Folge der Entwicklung eines evidenzbasierten Behandlungspfads COPD als praktisches und strukturiertes Hilfsmittel für Allgemeinmediziner und andere Gesundheitsberufe in der Primärversorgung, um eine leitliniengerechte Versorgung von Personen mit COPD in Österreich zu unterstützen.