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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Änderung der Wahrnehmungen von Pflegepersonal und Ärzteschaft zum restriktiven Umgang mit Kathetern nach Umsetzung eines Qualitätsverbesserungsprojekts

Meeting Abstract

  • Andrea Niederhauser - Stiftung für Patientensicherheit Schweiz, Zürich, Switzerland
  • Stephanie Züllig - Stiftung für Patientensicherheit Schweiz, Zürich, Switzerland
  • Jonas Marschall - Inselspital Bern und Swissnoso, Universitätsklinik für Infektiologie, Bern, Switzerland
  • Alexander Schweiger - Universitätsspital Basel und Swissnoso, Innere Medizin, Basel, Switzerland
  • David Schwappach - Stiftung für Patientensicherheit Schweiz, Zürich, Switzerland

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf154

doi: 10.3205/18dkvf154, urn:nbn:de:0183-18dkvf1547

Published: October 12, 2018

© 2018 Niederhauser et al.
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Text

Hintergrund: Transurethrale Dauerkatheter (auch Blasenkatheter) kommen im Spitalalltag häufig zum Einsatz. Blasenkatheter sind ein wesentlicher Risikofaktor für nosokomiale Infektionen und nicht-infektiöse Komplikationen wie Hämaturie als Folge einer Schleimhautverletzung. Der Umgang mit Blasenkathetern fällt sowohl in den Verantwortungsbereich der Ärzteschaft als auch in denjenigen des Pflegepersonals. Interventionen, die zum Ziel haben, den Einsatz von Blasenkathetern zu reduzieren, sollten sich demnach an beide Berufsgruppen richten und eine gleichgerichtete Haltung im Umgang mit Kathetern fördern.

Fragestellung: Es soll untersucht werden, ob sich die Wahrnehmung der Ärzteschaft und des Pflegepersonals in Bezug auf den Umgang mit Kathetern in ihrer Organisation voneinander unterscheidet und ob sich diese Wahrnehmung durch die Umsetzung eines Qualitätsverbesserungsprojekts verändert hat.

Methode: Die Studie wurde im Rahmen eines nationalen Programms zur Verbesserung der Sicherheit bei Blasenkathetern in sieben Schweizer Pilotspitälern durchgeführt. Das Programm hatte zum Ziel, mittels eines evidenz-basierten Interventionsbündels den Einsatz von unnötigen Blasenkathetern zu reduzieren und Katheter-assoziierte Komplikationen zu minimieren. In einer schriftlichen Befragung wurden die Mitarbeitenden der Ärzteschaft und des Pflegepersonals zu zwei Zeitpunkten zu ihrem Wissen und persönlichen Verhalten, sowie ihrer Wahrnehmung zum Umgang mit Blasenkathetern in ihrer Abteilung befragt. Die Baseline-Befragung fand vor der Umsetzung des Interventionsbündels statt, die Follow-up-Befragung ein Jahr später gegen Projektende. Die Wahrnehmung der Mitarbeitenden zum Umgang mit Kathetern innerhalb der Organisation wurde anhand einer Skala von 13 Items ermittelt, die in die drei Sub-Skalen „Indikation“, „sicheres Handling“ und „Sicherheitsklima“ unterteilt war. Die Items wurden auf einer Likert-Skala von 1 (stimme gar nicht zu) bis 7 (stimme voll zu) beantwortet. Die Daten beider Befragungen wurden deskriptiv ausgewertet. Die Veränderung der Mittelwerte zwischen Baseline- und Follow-up-Befragung wurde für die gesamte Stichprobe sowie innerhalb der Berufsgruppen ermittelt. Zudem wurde die Effektstärke d nach Cohen berechnet.

Ergebnisse: In der Baseline-Befragung nahmen 1'579 Personen (Rücklaufquote: 49%), in der Follow-up Befragung 1'527 Personen (Rücklaufquote: 47%) teil. Die Befragung bestätigt, dass sich beide Berufsgruppen für gewisse Aufgaben bei der Verwendung von Kathetern zuständig fühlen und der wahrgenommene Zuständigkeitsbereich zwischen den beiden Gruppen hin- und herpendelt. Der Skalen-Mittelwert über alle 13 Items hinweg lag in der Follow-up Befragung signifikant höher als in der Baseline Befragung (Baseline: 5.3, Follow-up: 5.5, p < 0.001, Cohen’s d = 0.33). In beiden Berufsgruppen erhöhte sich der Skalen-Mittelwert signifikant, was darauf hinweist, dass die Mitarbeitenden den Umgang mit Kathetern insgesamt sicherer und restriktiver einschätzen als vor dem Verbesserungsprogramm. Die Einschätzungen der befragten Pflegefachpersonen und Ärztinnen/Ärzte haben sich in einigen Aspekten angenähert, insbesondere in Bezug auf das Engagement der Führungspersonen für einen restriktiven Umgang sowie die gemeinsame Haltung zwischen den beiden Berufsgruppen. Bei einigen Items, die sich auf konkrete Abläufe im Arbeitsalltag beziehen, beispielsweise ob eine Kathetereinlage wenn immer möglich zu zweit erfolgt, blieb eine unterschiedliche Wahrnehmung zwischen den beiden Berufsgruppen bestehen.

Diskussion: In Tätigkeitsgebieten mit starker interprofessioneller Ausrichtung ist es zentral, dass sich Bestrebungen zur Erhöhung der Patientensicherheit an alle Berufsgruppen gleichermassen richten und dass die Ziele, Massnahmen und Herausforderungen der jeweils anderen Berufsgruppen für alle wahrnehmbar sind. In unserer Studie konnten wir feststellen, dass trotz Umsetzung des Interventionsbündels und einer verstärkten Kommunikation unter den Berufsgruppen die beiden Berufsgruppen weiterhin unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie Prozesse im Alltag ablaufen, insbesondere wenn sie nicht direkt davon tangiert sind. Hingegen zeigt sich, dass sich nach Umsetzung des Verbesserungsprojekts der restriktive Umgang mit Blasenkathetern vermehrt als gemeinsames Thema etablieren konnte. Für beide Berufsgruppen ist das Engagement der jeweils anderen Berufsgruppe stärker sichtbar geworden.

Praktische Implikationen: Durch eine berufsgruppenübergreifende Kommunikation und Wissensvermittlung kann das Verständnis für die Aufgaben und Herausforderungen der jeweils anderen Berufsgruppe gestärkt, die Sichtbarkeit des Engagements von Mitarbeitenden und Führungspersonen erhöht, und eine gemeinsame Zielsetzung zugunsten der Patientensicherheit gefördert werden.