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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Die ambulante Notfallversorgung in Westfalen-Lippe – ein Problem der Ballungsräume?

Meeting Abstract

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  • Sebastian Völker - Kassenärztliche Vereinigung Wetfalen-Lippe, Stabsbereich Unternehmensentwicklung, Dortmund

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf152

doi: 10.3205/18dkvf152, urn:nbn:de:0183-18dkvf1528

Published: October 12, 2018

© 2018 Völker.
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Hintergrund: In Deutschland können Patienten für die ambulante Notfallversorgung auf verschiedene Versorgungswege zurückgreifen. Die niedergelassenen Ärzte gelten als primäre Anlaufstelle für Patienten. Außerhalb der üblichen Sprechzeiten wird die Versorgung durch den ambulanten Notfalldienst sichergestellt, der von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) organisiert wird und primär an oder in unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern angesiedelt ist. Alternativ besteht für Patienten die Möglichkeit Krankenhausambulanzen aufzusuchen, die vom stationären Sektor getragen werden.

Seit einigen Jahren wird von einem steigenden Versorgungsdruck auf Krankenhausambulanzen berichtet. Dabei wird auf die Zahl der ambulanten Notfallpatienten hingewiesen, die eine Ressourcenbindung zu Ungunsten zeitnaher, notwendiger Behandlungen von schwer erkrankten Patienten bedeutet.

Fragestellung: Die Identifikation geographischer Variationen in der Inanspruchnahme ambulanter Notfallversorgungseinrichtungen ist das effektivste Instrument, um Regionen mit dem größten Potential zur Steigerung von Qualität und Effizienz in der Notfallversorgung zu lokalisieren. Ziel der Studie ist in einem Vorhersagemodell die Inanspruchnahme unter Berücksichtigung lokaler und grenzüberschreitender Besonderheiten zu schätzen.

Methode: Die Datengrundlage dieser ökologischen Studie bildeten alle gesetzlich krankenversicherten, ambulanten Notfallpatientenkontakte aus dem Jahr 2013 (n = 1.927.471), die nach dem Wohnortprinzip auf die 231 Gemeinden des Versorgungsgebietes der KV Westfalen-Lippe aggregiert wurden. Auf Gemeindeebene wurden sozio-ökonomische Variablen der amtlichen Statistik Nordrhein-Westfalens (Landesdatenbank NRW) und siedlungsstrukturelle Variablen der INKAR-Datenbank des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) verfügbar gemacht. Zusätzlich wurden punktgenaue Standortdaten von Krankenhäusern aus der Datenbank MGEPA und ambulanter Notfalldienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) genutzt.

Um zu erkennen, ob eine räumliche Korrelation in den vorliegenden Daten existiert, wurde die globale Moran’s I Statistik berechnet. Eine räumliche Korrelation wurde durch die Clusterbildung eines Local Indicator of Spatial Association (LISA; Local Moran’s I) bestätigt. Daher wurde ein räumliches Regressionsmodell (Spatial Error Modell (SEM)) genutzt, um den Anteil der ambulanten Notfallpatientenkontakte in Krankenhausambulanzen durch extrahierte sozio-ökonomische, gesundheitsbezogene, geographische und weitere Variablen zu modellieren.

Ergebnisse: Die Inanspruchnahme von Notfallversorgungseinrichtungen in Westfalen-Lippe stellt sich räumlich heterogen dar. Von allen Notfallpatientenkontakten in Westfalen-Lippe finden durchschnittlich 56,2 % in Krankenhausambulanzen statt. Unter Hinzuziehung von räumlich-administrativen Aggregaten ist eine deutliche geographische Variation zu erkennen (min = 14,8 %; max = 83,9 %).

Als wichtige Einflussfaktoren wurden der Patient als Subjekt, der Gesundheitszustand des Patienten, die räumliche Distanz zum Versorgungsangebot und das Ruhrgebiet identifiziert.

Diskussion: Die Ergebnisse der Modellierung zeigen wichtige Komponenten der Inanspruchnahme des ambulanten Notfalldienstes auf und decken sich mit bestehenden Forschungsergebnissen. Gewichtiger Einflussfaktor für die Inanspruchnahme von Krankenhausambulanzen ist die Distanz zu Notfallversorgungseinrichtungen. Eine steigende Distanz zur nächsten Einrichtung des ambulanten Notfalldienstes erhöht den Anteil ambulanter Notfallpatienten in Krankenhausambulanzen in der entsprechenden Gemeinde. Umgekehrt sinkt der Anteil bei steigender Distanz zum nächsten Krankenhaus.

Die höhere Signifikanz des Prädiktors Distanz zu den nächsten beiden Krankenhäusern, zeigt einen Agglomerationseffekt, bei der Verfügbarkeit solcher Angebote. Dies zeigt auch die Bedeutung des Ruhrgebiets, die als Dummy-Variable einen gesonderten Einfluss auf den Anteil in Krankenhausambulanzen hat. Gemeinden innerhalb des Ruhrgebietes weisen demnach eine raumspezifische, multizentrische Verflechtung auf mit einem spezifischen Gesundheitsversorgungsangebot.

Praktische Implikationen: Die Inanspruchnahme von Krankenhausambulanzen im Notfall ist in Westfalen-Lippe einer deutlichen räumlichen Heterogenität unterworfen. Dies liegt unter anderem an der Siedlungsstruktur der Region, die eine Spanne von hochverstädterten Agglomerationsräumen wie dem Ruhrgebiet und rural geprägten Regionen wie dem Sauerland aufweist. Eine räumliche Gewichtung ist daher bei der Entwicklung von Vorhersagemodellen unabdingbar.

Unter Einbezug von grenzübergreifenden Effekten können Regionen mit einem höheren Risiko einer Inanspruchnahme von Krankenhausambulanzen im Notfall identifiziert und prognostisch modelliert werden. Es wird empfohlen eine räumliche Abhängigkeit, beispielsweise in ökologischen Studien, routinemäßig zu prüfen.