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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Brustkrebs bei Menschen mit körperlicher Behinderung: Ungleichheiten hinsichtlich Erkrankungsschwere und lokaler Tumorbehandlung?

Meeting Abstract

  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg
  • Alfred Schabmann - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Köln
  • Sophie-Elisabeth Groß - LVR-Klinikverbund, LVR-Institut für Versorgungsforschung, Köln
  • Anke Groß-Kunkel - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Köln
  • Ute-Susann Albert - Philipps-Universität Marburg, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Marburg
  • Igor Osipov - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf145

doi: 10.3205/18dkvf145, urn:nbn:de:0183-18dkvf1453

Published: October 12, 2018

© 2018 Ansmann et al.
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Text

Hintergrund: Da Menschen mit Behinderung mittlerweile ein höheres Lebensalter erreichen, steigt auch das Risiko einer Krebsdiagnose. Die Versorgungssituation von Menschen mit körperlicher Behinderung, die an Krebs erkranken, wurde in der klinischen, heilpädagogischen und Versorgungsforschung bisher wenig und fast ausschließlich im Hinblick auf Inanspruchnahme und Zugang zur Krebsfrüherkennung thematisiert.

Fragestellung: Diese Arbeit untersucht, ob Unterschiede in der Erkrankungsschwere und der lokalen Tumorbehandlung diagnostizierter Brustkrebspatientinnen mit und ohne körperliche Behinderung existieren.

Methode: Im Jahr 2014 nahmen n=4194 Patientinnen mit primärem Brustkrebs, die zwischen Februar und Juli in einem nordrheinwestfälischen Brustzentrum operiert worden sind, an der jährlichen poststationären und postalischen Patientinnenbefragung (Rücklaufquote 87%), ergänzt durch klinische Daten, teil. Mittels Latent-Class-Analyse und Logit-Pfadmodell wurden

1.
Unterschiede zwischen körperbehinderten und nicht-behinderten Patientinnen hinsichtlich UICC-Stadien und lokaler Tumorbehandlung sowie
2.
Zusammenhänge zur Behinderungsschwere untersucht.

Ergebnisse: Patientinnen mit einer körperlichen Behinderung (n=780; 18,7%) erhalten häufiger als nicht behinderte Patientinnen eine Mastektomie im Vergleich zur brusterhaltenden Operation, selbst bei Kontrolle von sozioökonomischem Status, Alter und UICC-Stadium. Das UICC-Stadium ist höher bei Patientinnen mit Behinderung. Der Behinderungsgrad hängt direkt und indirekt mit dem Erhalt einer Mastektomie zusammen. Hinsichtlich der Brustrekonstruktion zeigten sich keine Unterschiede.

Diskussion: Vor dem Hintergrund der Forschungslücke liefert diese Arbeit erste Hinweise auf Versorgungsungleichheiten bei Brustkrebspatientinnen mit körperlicher Behinderung. Mögliche Ursachen könnten

1.
im Zugang zur Versorgung (z. B. selektive Information zu Therapieoptionen),
2.
in den Präferenzen und individuellen Problemstellungen der Patientinnen (z. B. Wunsch nach verkürzter Therapiedauer) oder
3.
in medizinischen Problemlagen (z. B. Komorbiditäten, Behinderungsart) liegen.

Praktische Implikationen: Vor der Ableitung praktischer Implikationen sollten zuerst folgende Fragen in weiterführenden Studien beantwortet werden:

1.
Welche Determinanten auf Patientinnen-, Professionellen- und gesellschaftlicher Ebene sind Ursachen für die gefundenen Ungleichheiten?
2.
Existieren auch für Patientinnen mit geistiger und psychischer Behinderung Ungleichheiten?
3.
Wie können Professionelle und Versorgungsorganisationen die Versorgung von Brustkrebspatientinnen mit Behinderung verbessern?