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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Qualitätsmessung in der Pflege mit Routinedaten

Meeting Abstract

  • Susann Behrendt - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Pflege, Berlin
  • Antje Schwinger - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Pflege, Berlin
  • Chrysanthi Tsiasioti - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Pflege, Berlin
  • Kai Stieglitz - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Pflege, Berlin
  • Thorben Breitkreuz - aQua-Institut, Gesundheitsberichterstattung und Biometrie, Göttingen
  • Thomas Grobe - aQua-Institut, Gesundheitsberichterstattung und Biometrie, Göttingen
  • Jürgen Klauber - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf118

doi: 10.3205/18dkvf118, urn:nbn:de:0183-18dkvf1189

Published: October 12, 2018

© 2018 Behrendt et al.
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Text

Hintergrund: In Kontrast zu 780.000 hochbetagten und multimorbiden Menschen in deutschen Pflegeheimen steht die Fehlversorgung in diesen Einrichtungen. Der Optimierungsbedarf zur Versorgungstransparenz und -qualität ist erheblich. Der Gesetzgeber hat als Reaktion die Vorgaben zur gesetzlichen Qualitätssicherung in der Langzeitpflege in den letzten zehn Jahren grundlegend weiterentwickelt. Im Zentrum stehen dabei Indikatoren zur Ergebnisqualität in der stationären Langzeitpflege, deren Datenbasis eigens von den Einrichtungen zu erheben ist und die in naher Zukunft bundesweit implementiert werden. Dabei geht es maßgeblich um die Qualität von Versorgungsergebnissen, die im engeren Sinne den SGB XI-Leistungserbringern zuschreibbar sind - ein ganzheitlicher Blick auf die Versorgungs- und Ergebnisqualität fehlt weiterhin. Der Einbezug von Routinedaten der Kranken- und Pflegekassen ist vom Gesetzgeber gegenwärtig nicht vorgesehen. Ihr Potenzial zur Qualitätsmessung in deutschen Pflegeheimen ist jedoch erheblich, erlauben sie doch eine sektor- und berufsgruppenübergreifende Perspektive auf die Versorgung der betagten Pflegeheimbewohner mit ihren vielschichtigen Bedarfslagen.

Fragestellung: Ausgehend von der These, dass ein multidimensionaler, sektoren- und berufsgruppenübergreifender Blick auf die Versorgungsqualität im Pflegeheim erforderlich ist, beschäftigt sich der Beitrag mit der Machbarkeit von routinedatenbasierten Indikatoren zur Messung der Qualität im Pflegeheim, im ersten Schritt als Beitrag zur einrichtungsinternen Qualitätssicherung. Der Beitrag präsentiert hierfür erste Ergebnisse.

Methode: Für die Analysen wurden anonymisierte, versichertenbezogene Abrechnungsdaten des Jahres 2015 der elf regionalen AOK Pflege- und Krankenkassen ausgewertet. Die Stichprobe enthält 5.622 vollstationäre Pflegeheime (50,4% aller deutschen Pflegeheime) und 232.451 AOK-Versicherte (31,4% aller stationär Pflegebedürftigen ≥ 60 Jahre). Auf dieser Grundlage wurden Kennzahlen zur Arzneimittelversorgung, zu nosokomialen Erkrankungen, Hospitalisierungen sowie zur haus- und fachärztlichen Versorgung im Pflegeheim literaturbasiert fundiert, auf Basis von Routinedaten operationalisiert, empirisch validiert und ihre Ausprägungen je Pflegeheim – noch nicht adjustiert – berechnet.

Ergebnisse: Aus diesen Analysen ergeben sich zwei grundlegende Erkenntnisse: (1) die Operationalisierung von Kennzahlen auf Routinedatenbasis ist auch im Bereich der Langzeitpflege realisierbar. (2) Dadurch werden Versorgungunterschiede zwischen den Pflegeheimen transparent, was die Relevanz der ausgewählten Versorgungsaspekte bestätigt. Im nächsten Schritt sind weitere konzeptionelle Schärfungen der Kennzahlen vorzunehmen. Im Zentrum steht dabei die Frage, welche einrichtungsspezifischen Faktoren abseits der pflegerischen und ärztlichen Versorgungsqualität das Ergebnis der Kennzahl beeinflussen dürfen und die dementsprechend zu adjustieren sind.

Diskussion: In der Gesamtschau stimmen die Ergebnisse optimistisch für die Entwicklung weiterer routinedatenbasierter Qualitätsindikatoren. Angestrebt ist dabei nicht das Festlegen (normativ begründeter) referentieller Geltungsbereiche für „schlechte“ Performanz“, sondern der relationale Vergleich über die Pflegeheime hinweg und langfristig auch über die Zeit. Auf der Agenda stehen nun die Entwicklung weiterer Kennzahlen und die methodische Schärfung mit besonderem Fokus auf der Risikoadjustierung.

Praktische Implikationen: Das Potenzial derartiger sozialleistungsträger- und professionsübergreifender Qualitätsindikatoren für die stationäre Langzeitpflege ist erheblich: Die routinedatenbasierte Umsetzung ist mit vergleichsweise geringem Aufwand und ohne weitere Dokumentation durch die Pflegeheime verbunden. Die Indikatoren schaffen Awareness für konkrete Pflegedefizite und können die pflegeheiminterne Qualitätssicherung, Qualitätszirkel mit weiteren Berufsgruppen sowie auch Vertragsverhandlungen zwischen Pflegekassen und Einrichtungen empirisch fundieren.