gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Analyse von Versorgungsprozessen in Wohngemeinschaften für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompentenz

Meeting Abstract

  • Alexander Gerka - OFFIS – Institut für Informatik, Gesundheit, Oldenburg
  • Simon Remy - Humboldt Universität, Wirtschaftsinformatik, Berlin
  • Christian Lins - OFFIS – Institut für Informatik, Gesundheit, Oldenburg
  • Christian Lüpkes - OFFIS – Institut für Informatik, Gesundheit, Oldenburg
  • Andreas Hein - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Assistenzsysteme und Medizintechnik, Oldenburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf116

doi: 10.3205/18dkvf116, urn:nbn:de:0183-18dkvf1167

Published: October 12, 2018

© 2018 Gerka et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, wie z.B. Demenz- oder Beatmungspatienten, stehen häufig vor der Frage, welche Wohnform für sie optimal ist. Dabei stehen sie und ihre Angehörigen vor der Herausforderung, sicher zu leben und dabei das eigene Wohlbefinden zu wahren [1], [2]. Eine Möglichkeit dies zu gewährleisten bieten neue Wohnformen wie Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz und Beatmungs-WGs. In diesen Versorgungsformen betreuen Pflegekräfte mehrere Betroffene gleichzeitig und ermöglichen Sicherheit bei gleichzeitigem Wohlbefinden. Dieses Wohlbefinden resultiert nicht zuletzt daraus, dass Person-zentrierte Pflege nach Kitwood möglich ist [3]. Dennoch erfordert diese Wohnform von den Betroffenen den Auszug aus der eigenen Wohnung.

Parallel zu den Veränderungen der Wohnformen werden zunehmend technische Hilfsmittel zur Unterstützung Hilfebedürftiger eingesetzt. So wurden beispielsweise im Projekt QuoVadis Sicherheits- und Betreuungssysteme für Menschen mit Demenz entwickelt [4], während aktuell darauf aufbauend im Projekt MeSiB technische Lösungen für die Sicherheit von Heimbeatmeten entwickelt werden [5].

Fragestellung: Es wird untersucht wie die Person-zentrierte Pflege in Wohngemeinschaften auf dezentrale, technisch unterstützte Versorgungsformen übertragen werden kann. Dazu sollen zunächst Versorgungsprozesse in Wohngemeinschaften modelliert und analysiert werden.

Methode: In drei Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz im Raum Oldenburg wurden qualitative und quantitative Interviews geführt.

In der einschlägigen Literatur fehlt es an einem standardisiertem Vorgehen zur Erfassung von Prozessen mittels Fragebogen oder Interview. Daher wurden, in Anlehnung an Rathgeb [6], Experteninterviews geführt, bei denen im Kern folgende Aspekte erfragt wurden:

  • Welche Aufgabe soll durch den Prozess erfüllt werden?
  • Was ist/sind der oder die Auslöser für die Einleitung des Prozesses?
  • Was ist/sind die Abschlussbedingungen?
  • Wie viel Zeit nimmt der Prozess in Anspruch?
  • Wer ist an der Ausführung beteiligt?
  • Welche Hilfsmittel werden benötigt?
  • In welcher Reihenfolge wird was abgearbeitet?

Mit Hilfe dieser Fragen wurden in drei Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz Versorgungsprozesse identifiziert. Diese wurden mithilfe der BPMN (Business Process Model and Notation, deutsch: Geschäftsprozessmodell und -notation) formalisiert und analysiert [7].

Ergebnisse: Die Ergebnisse beinhalten die erstellten Prozessmodelle sowie Vorschläge für technische Lösungen zur Unterstützung der Versorgungsprozesse im dezentralen Setting. Die Prozessmodelle umfassen die Versorgungsprozesse Abendroutine, Nahrungsmitteleinkauf/Mahlzeiten sowie Körperpflege. Technische Unterstützung ist vor allem bei der Dokumentation der Pflege realisierbar. Dadurch würde das Pflegepersonal entlastet und Veränderungen der Vorlieben und Eigenschaften der Betroffenen könnten verlässlicher erfasst werden.

Diskussion: Auch wenn die Probandenzahl mit drei untersuchten Wohngemeinschaften zunächst niedrig ist und sich vorerst nur auf Demenzerkrankte bezog, so wurden in dieser Arbeit erstmals Prozessmodelle für Versorgungsprozesse in Wohngemeinschaften identifiziert.

Praktische Implikationen: Die definierten Modelle werden im Forschungsprojekt MeSiB genutzt, um technische Unterstützungssysteme für heimbeatmete Patienten zu entwickeln.

Danksagung: Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom GKV Spitzenverband im Rahmen der Forschungsprojekte MeSiB (Fördernr: 16SV7723) und QuoVadis finanziert.


Literatur

1.
Deuschl G, Maier W. S3-Leitlinie Demenzen. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) and Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), eds. 2009. S.1-94.
2.
Windisch W, Dreher M, Geiseler J, Siemon K, Brambring J, et al. S2k-leitlinie: Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz–Revision 2017. Pneumologie. 2017;71(11):722–95.
3.
Kitwood T, Müller-Hergl C. Demenz – Der person-zentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen. 5., erg. Aufl. In: Pflegepraxis Altenpflege. Bern: Huber; 2008.
4.
Gerka A, et al. Quo Vadis — Definition of Requirements and Conception for Interconnected Living in a Quarter for Dementia Patients. Ambient Assisted Living. Springer International Publishing; 2017. pp. 27-39.
5.
Lins C, Gerka A, Lüpkes C, Röhring R, Hein A. Enhancing Safety of Artificially Ventilated Patients using Ambient Process Analysis. Medical Informatics Europe (MIE 2018). 2018.
6.
Rathgeb M. Verfahren zur Gestaltung rechnergestützter Büroprozess. Berlin, Heidelberg: Springer; 1996.
7.
Freund J, Rücker B. Praxishandbuch BPMN 2.0. München, Wien: Carl Hanser Verlag; 2014.