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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Subjektiv wahrgenommene Versorgungsqualität bei Erwachsenen mit diagnostiziertem Diabetes mellitus in Deutschland – Ergebnisse eines bundesweiten bevölkerungsbezogenen Telefonsurveys im Rahmen der Diabetes-Surveillance

Meeting Abstract

  • Jens Baumert - Robert Koch-Institut, Abteilung 2, Berlin
  • Rebecca Paprott - Robert Koch-Institut, Abteilung 2, Berlin
  • Lena Stühmann - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
  • Yong Du - Robert Koch-Institut, Abteilung 2, Berlin
  • Christin Heidemann - Robert Koch-Institut, Abteilung 2, Berlin
  • Christian Schmidt - Robert Koch-Institut, Abteilung 2, Berlin
  • Christa Scheidt-Nave - Robert Koch-Institut, Abteilung 2, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf105

doi: 10.3205/18dkvf105, urn:nbn:de:0183-18dkvf1056

Published: October 12, 2018

© 2018 Baumert et al.
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Text

Hintergrund: Bei etwa 7 bis 10 % der Erwachsenen in Deutschland ist ein Diabetes mellitus diagnostiziert. Die chronische Stoffwechselerkrankung erfordert in der Regel lebenslange medizinische Behandlung und ein hohes Selbstmanagement. Hieraus ergeben sich hohe Belastungen für die Betroffenen im Alltag. Versorgungsqualität aus Patientensicht gilt als wichtiger Indikator der Versorgungsqualität, wird jedoch nicht systematisch in der Patientenversorgung erhoben. Epidemiologische Studien zu Verteilung und Determinanten dieses Indikators bei Erwachsenen mit Diabetes mellitus in Deutschland könnten wichtige Einblicke in die Bedeutung der subjektiv wahrgenommenen Versorgungsqualität liefern. Entsprechende Daten auf Bevölkerungsebene liegen in Deutschland bislang nicht vor.

Fragestellung: Wie bewerten Erwachsene mit diagnostiziertem Diabetes mellitus in Deutschland die Qualität ihrer Versorgung, und welche soziodemografischen, krankheitsspezifischen und versorgungsrelevanten Faktoren gehen mit guter oder schlechter subjektiver Versorgung einher?

Methode: Als Teil eines bundesweiten Telefonsurveys im Rahmen der Diabetes-Surveillance konnte eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von Erwachsenen mit diagnostiziertem Diabetes mellitus gezogen und durch ein spezifisches Screeningverfahren angereichert werden. Insgesamt wurden 1.274 Personen (664 Männer, 610 Frauen) mit ärztlich diagnostiziertem Diabetes ab 18 Jahren mit Angaben zur subjektiv wahrgenommenen Versorgungsqualität erfasst (mittleres Alter 65 Jahre). Die subjektiv wahrgenommene Versorgungsqualität wurde durch eine adaptierte deutschsprachige Version des Patient Assessment of Chronic Illness Care (PACIC) erhoben. Das verwendete Instrument besteht aus neun Items mit jeweils 5-stufiger Skala (nie, selten, manchmal, häufig, immer), aus denen der mittlere Summenscore (Skala 1-5) zur Definition der Patientenzufriedenheit herangezogen wird; ein höherer Scorewert weist auf eine höhere Patientenzufriedenheit hin. Neben soziodemografischen und krankheitsspezifischen Faktoren (Behandlungsmodus, Komorbiditäten und diabetesspezifische Komplikationen) wurden unter anderem auch selbsteingeschätztes Krankheitswissen und depressive Symptomatik (PHQ-2) erhoben. Alle Ergebnisse wurden im Hinblick auf Auswahlwahrscheinlichkeit und Abweichungen von einer Referenzpopulation hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bildung gewichtet. Signifikante Unterschiede in der mittleren Patientenzufriedenheit wurden über eine lineare Regression mit Adjustierung nach Alter und Geschlecht ermittelt.

Ergebnisse: Die mittlere Patientenzufriedenheit lag bei 2,47 (95 %-Konfidenzintervall 2,40-2,54), war signifikant höher bei Männern als bei Frauen (2,56 vs. 2,38) und nahm mit zunehmendem Alter ab. Adjustiert nach Alter und Geschlecht zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang mit höherer Patientenzufriedenheit für folgende Faktoren: Teilnahme an einer Diabetes-Schulung, gut oder sehr gut eingeschätztes Krankheitswissen, aktuelle Behandlung mit Medikamenten vs. nur mit Lebensstilanpassung. Depressive Symptomatik und das Vorliegen von makrovaskulären Komplikationen (Koronare Herzkrankheiten, Schlaganfall) waren mit leicht geringerer Patientenzufriedenheit assoziiert. Keine signifikanten Zusammenhänge hinsichtlich der Patientenzufriedenheit zeigten sich mit Bildung, allein lebend und Adipositas sowie der Blutzuckerselbstkontrolle, dem Vorkommen einer akuten Unter-/Überzuckerung in den letzten 12 Monaten oder mindestens einer diabetesspezifischen Komplikation.

Diskussion: Die vorliegende bundesweite Studie zeigte insgesamt eine allenfalls mittelmäßige subjektiv wahrgenommene Versorgungsqualität bei Personen mit Diabetes in Deutschland. Erste Zusammenhangsanalysen ermittelten eine Reihe von Faktoren, die mit einer höheren subjektiv wahrgenommenen Versorgungsqualität einhergehen. Insbesondere die Zusammenhänge mit Teilnahme an einer Diabetes-Schulung, besser eingeschätztem Krankheitswissen und der aktuellen Behandlungsform mit einer höheren Patientenzufriedenheit und der inverse Zusammenhang mit depressiver Symptomatik zeigen, wie wichtig eine patientennahe Versorgung für den Umgang mit der Diabeteserkrankung ist.

Praktische Implikationen: Interventionsstudien zur Integrierung einer patientennahen Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus sind notwendig. Ergebnisse der vorliegenden Studie können hypothesengenerierend zum Design solcher Studien beitragen.